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Wenig Krimi für die Mimi

■ „Was heißt hier eigentlich feministisch?“ - Ein Bremer Buch zu einer endlosen Debatte

Feministische Wissenschaftlerinnen sind leidenschaftliche Fragerinnen - denn die neue feministische Diskussion ist kaum dreißig Jahre jung und viele Fragen sind noch offen.

Kein Wunder also, daß eine Frage der Titel des ersten Bandes einer neuen Reihe „Feministische Bibliothek“ ist, die jetzt beim Bremer Donat Verlag erschienen ist. Was heißt hier eigentlich feministisch? ist zugleich Titel und Programm eines Fragenkatalogs, den die Forscherinnen nicht nur an die Gesellschaft oder den Universitätsbetrieb anlegen, sondern auch an ihre eigenen Arbeiten.

Diese stellen 16 Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen vor — und geben vorläufige Antworten auf Fragen nach dem speziell Feministischen. Wo diese Antworten nicht in allzu akademisches Kauderwelsch vom weiblichen Sozialcharakter-Konstrukt und ähnlichem verfallen, lesen sie sich oft spannend wie ein Krimi. Dort zum Beispiel, wo die Soziologinnen, Juristinnen und Historikerinnen im Verborgenen gestöbert haben und eindrucksvoll das Leben einzelner Frauen beschreiben, die ihrer Zeit um viele Längen voraus waren.

Daß die Forscherinnen dabei auch ihr persönliches Verhältnis zu den Vorkämpferinnen der italienischen und französischen Frauenbewegung beschreiben, über die sie arbeiten, gehört zur feministischen Selbstverpflichtung, Befangenheit zuzugeben. Den LeserInnen kommt's entgegen. Wer möchte schließlich nicht wissen, daß die Literaturwissenschaftlerin Helga Grubitzsch ihren Heldinnen die verleugnete Mutterschaft nachtrug? Es kam unserer Neugierde schon immer entgegen, daß Privates auch in der Wissenschaft politische Bedeutung beanspruchen kann.

Die Aufarbeitung von Geschichte macht das Buch ebenso interessant wie die Forderung nach den Frauenrechten von morgen. In ihrem Artikel "Quote allein genügt nicht", plädiert Bettina Sokol anschaulich dafür, daß die Gleichberechtigung im Grundsatz des Rechts verankert werden muß.

Leider beziehen sich die Beiträge ausnahmslos auf das Ende der 80er Jahre. Dabei hätte eine Aktualisierung dem Buch gut getan: Aufrufe an die feministische Wachsamkeit wirken beispielsweise befremdend, weil sie sich noch auf die Reagan-Ära beziehen - und wir haben doch schon mit dem „Hillary-Syndrom“ zu tun. Trotz seines Dokumentationscharakters und der bisweilen akademischen Sprache bietet Was heißt hier eigentlich feministisch? aber Gelegenheit zu einem interessanten Streifzug durch die feministischen Gedankengebäude. Daß die die Leserin dabei manchmal ins Schnaufen kommt, darf als pure Absicht der Herausgeberin Marlies Krüger, Bremer Professorin für Sozialwissenschaften, gewertet werden. Eva Rhode

Was heißt hier eigentlich feministisch? Zur theoretischen Diskussion in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Donat Verlag, 29,80 Mark

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