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Unterm Strich

Wir wollen Ihnen jetzt hier gar nichts weiter darüber sagen, daß der Sonntagsdienst nur unter Aufbietung mehrgeschossiger Aspirin-Dosen und wieder einmal mit klammen, bläulich angelaufenen Fingerlein überhaupt bewältigt werden kann, weil wieder einmal niemand anständig zu heizen in der Lage war (oder wird an uns gespart? wie?), und wollen also, statt zu lamentieren, gleich zur Sache kommen.

Die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete amerikanische Schriftstellerin Toni Morrison hält, im Gegensatz zu ihrer Kollegin Susan Sontag nicht viel von Schriftstellerauftritten in Sarajevo. „Krieg“, so sagte Morrison bei ihrer ersten europäischen Pressekonferenz, „ist eine tödlich ernste Angelegenheit, die eine tödlich effiziente Antwort verlangt. Politiker und Militärs sind besser für diese Aufgabe geeignet als Schriftsteller.“ Sie hielte es für problematisch, nach Sarajevo zu fahren, um dort ihre Solidarität zu bekunden. „Ich würde befürchten, daß eine solche Aktion theatralisch wirken könnte. Es erfordert ein besonderes Engagement, in eine Kriegszone zu reisen. Man muß sich völlig diesem Ziel verschreiben, und ich bezweifle, ob ich mich dafür engagieren könnte. Ich möchte keine bloße Geste machen.“ Die Pressekonferenz fand im Rahmen eines Treffens von 50 Schriftstellern statt, die bis Montag über die Einrichtung eines internationalen Schriftstellerparlaments beraten wollen. Dies Parlament soll unter anderem die Solidarität mit der eingekesselten bosnischen Hauptstadt Sarajevo zum Ausdruck bringen.

Genosse Michael Jackson hat wg. Zahnschmerzen ein Konzert in Mexico City abgesagt und muß nun richtig ins Krankenhaus, Abszeßoperation und und und. Nächste Woche kann er dann wieder singen und machen und tun, im Azteken-Stadium. Also Kopf hoch, Compañeros.

Auf Berliner Laufstegen demnächst zu sehen: Neue Modelle von E. Siepmann (burgunderrote Flügelhemdchen), E. Kloft (Lodenjoppen) und A. Schwarzenau (Latex- Ganzkörperverhüllungen). Ach, wer da das Zünglein an der Wade spielen könnt!

Elton John hat einen Prozeß gegen Londons Sunday Mirror gewonnen, weil der behauptet hatte, Herrn John dabei beobachtet zu haben, wie er auf einer Party Shrimps gekaut und sie anschließend in eine Serviette gespuckt zu haben. Er habe dann

den Umstehenden mitgeteilt, er befinde sich auf einer neuen Diät. Diese Behauptungen werden den Mirror nun 518.000 Dollar kosten. Bitte rechnen Sie jetzt rasch im Kopf aus, wieviel das in DM ist und beantworten Sie außerdem in eigenen Worten folgende Fragen: Auf wieviel wäre das Bußgeld gekommen, wenn es sich um einen Avocado-Cocktail gehandelt hätte? Calamari Fritti? Und wie alt war der Richter?

Es freut uns zu hören, daß das Mannheimer Filmfest, welches am 15. November beginnt, sich wieder auf Bewährtes zurückgezogen hat. Erneut wird es eine Retrospektive mit den Filmen Ingmar Bergmans geben, die ja so in Deutschland praktisch nie zu sehen sind, im Gegensatz zu den Experimentalfilmen, die ständig zu sehen sind, auch im Fernsehen immer wieder gern, und daß man so endlich mal etwas Neues und Aufregendes halt zu sehen bekommt.

Aufregend ist auch das Preview-Angebot: Von Altman bis Shepard werden Filme gezeigt, die gern in Venedig und Hof auch schon zu sehen waren. Die Besucher könnten ja sonst völlig den Überblick über den Mainstream verlieren, der ja wichtig ist in diesen unseren Tagen. Wer jetzt keinen Überblick hat, baut sich keinen mehr, wer jetzt ein Schussel ist, wird es lange bleiben.

Endlich hat die politische Psychoanalyse uns in Sachen Neonazismus auf den Sprung geholfen. es ist nämlich, nach Auskunft des Mediziners Wolfgang Leuschner, tatsächlich so, daß Nazi-Rockmusik eine Art „psychischer Bewaffnung“ bewirkt. Die „Nazi- Orgien“ – und jetzt hören Sie gut zu – leisten einer „allgemeinen Enthemmung Vorschub und machen die Zuhörer zu einer Vorreiterbewegung, die den Bruch des Tötungstabus anstrebt“. Auf diese Weise würden aus rassistischen Phantasien Taten folgen. Na prima. Dann ist ja alles ganz einfach. Wir spielen den Jungs ein wenig Pfipfaldi und schon säuseln sie in friedlichsten Tönen und haben sich und uns und Ausländer und Inländer lieb und unsern guten Nachbarn auch. Schuld war also doch nur der Bossanova, sag ich's doch.

Wenn uns noch einmal jemand ein erotisches Meisterwerk ankündigt, verlangen wir Strafzölle. Diesmal geht es um einen Schmachtfetzen aus dem dafür bekannten Hause Merchant/Ivory, in dem ein Butler und seine Hausdame irgendwas miteinander haben oder was. Kennen Sie vielleicht ein billigeres, RTL- Softporno-verdächtigeres Szenario? Ihhghghg. Aufgemotzt wird die Chose durch einen politischen Hintergrund: Lord Darlington, dem der Butler Stevens dient, entsinnt in den dreißger Jahren ständig Politikkonzepte für den Umgang mit den Nazis, die sich im nachhinein als Kollaboration erweisen. Und raten Sie, wer spielt: Emma Thompson an der Seite von Anthony Hopkins. Das könnte allerdings dies und das für sich haben.

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