: Franzi schwimmt in den alten Bahnen
■ Sportschulen: DDR-Kaderschmieden existieren weiter / Mehr Erzieher als an allen Ostberliner Gesamtschulen zusammen
Franziska van Almsick ist pädagogisch ausgezeichnet betreut. Für das kindfrauliche Schwimmidol und ihre MitschülerInnen gibt es in zwei ehemaligen DDR-Elite- Sportschulen mehr Erzieherstellen als an allen Gesamtschulen in Ostberlin zusammen. Doch das Attribut „ehemalig“ ist bei den Sport- Leistungsschulen gar nicht angebracht. Noch vier Jahre nach Übernahme der damaligen „Kinder- und Jugendsportschulen“ der olympisch höchst erfolgreichen DDR hält das Land Berlin die Nachwuchskaderschmieden in zentraler Obhut. Obwohl die Bezirke für die Schulen zuständig sind, will das Land die „Schulen so lange fürsorglich behandeln“, bis ein bundesweiter Modellversuch abgeschlossen ist – so verriet der Staatssekretär der Schulverwaltung, Günter Bock, gestern der taz.
„Ganz normale Schulen sind das“, urteilt der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport. Nur hätten sie eine „spezielle Profilbildung“ für Sport, die sich durch einen „Leistungsbereich“ ausdrücke. Der ist recht erfolgreich. Aus der Werner-Seelenbinder- Schule etwa kommt beinahe die komplette in Sheffield bei der EM so erfolgreiche Schwimm-Mädchenschaft. Sport-Staatssekretär Günter Bock sinniert derweil noch darüber, wie man Pädagogik und Körperertüchtigung in der Ex- (und weiterhin?)-Kaderschmiede „harmonisieren“ kann. Immerhin hat auch die Werner-Seelenbinder-Schule noch einen allgemeinbildenden Auftrag für ihre 1.420 SchülerInnen. Sogar einen Grundschulbereich hat sie.
Sportlich sollten die Zöglinge schon sein, die in die Seelenbinderschen Klassenzimmer und Sporthallen wollen. Eine Empfehlung des Fachverbandes sei vonnöten, meint der Rektor. Aber die „Schule ist nicht dazu da, Medaillen zu produzieren“. Nur fänden Schüler, „die sich über ihren Sport definieren“, dort entsprechende Bedingungen vor, meint der Rektor.
Auf Antrag der Grünen/Bündnis 90 werden diese Bedingungen nun exakter überprüft. Die vergleichsweise luxuriöse Ausstattung der Werner-Seelenbinder- Schule und der Flatow-Oberschule (Köpenick) mit ErzieherInnen wurde per Stellensperre gestoppt. Bis Februar 94 müssen Schul- und Sportsenator Klemann und sein Staatssekretär zudem ein neues Konzept für die Sportinternate vorlegen, die sich bereits seit 1990 in ihrer Obhut befinden. Der Grünen-Abgeordneten Sybille Volkholz reicht das nicht. „Franzi darf ja schnell schwimmen“, meint sie. Aber es gehe nicht, daß die Ausstattung der Schulen „keiner öffentlichen Kontrolle mehr unterliegt“. Christian Füller
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