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Werbend gewienert

■ Die Privatsender erhoffen sich im Werbestreit eine politische Lösung

Die privaten Rundfunk- und Fernsehanbieter rechnen mit einer Neufassung des seit dem 1. Oktober gültigen Rundfunkstaatsvertrages. Durch „Klinkenputzen in allen Staatskanzleien und bei den Parteien“ hätten die Privaten auf ihre Interessen aufmerksam gemacht, erklärte Jürgen Doetz, Geschäftsführer von Sat.1 und Vizepräsident des Verbandes der privaten Rundfunk und Television (VPRT), anläßlich der Mitliederversammlung des Verbandes am letzten Donnerstag in Leipzig. Besonders die „klaren Aussagen“ der Privaten-freundlichen Bayern stimmen den Vize angsichts der bevorstehenden Ministerpräsidentenkonferenz hoffnungsfroh.

Mit Einnahmeverlusten in Höhe von 400 bis 450 Millionen DM sei zu rechnen, wenn es bei der derzeitigen „reinrassigen Nettoregelung“ bliebe, derzufolge nur die reine Filmlänge für die Anzahl der Werbeinseln maßgeblich ist: Bei mehr als 90 Minuten dürfen es zwei, bei weniger als 90 Minuten nur eine sein. Um das mühsam erwienerte günstige Klima für die erhoffte Änderung nicht zu gefährden, beschlossen die VPRT- Mitglieder „ab sofort auf die Akquisition von Werbespots für die umstrittenen Werbeinseln zu verzichten“ und nur noch bisher schon vertraglich gebundene Werbung auszustrahlen. Damit setzen sie allerdings ihre offenen Verstöße gegen die Richtlinien fort, die ihnen bisher Abmahnungen – „mittlerweile bei allen nationalen Veranstaltern“, so Doetz – einbrachten. Demnächst sollen Bußgeldbescheide und Sofortvollzugsanordnungen folgen, wie der Sat.1-Geschäftsführer annimmt.

Die im VPRT versammelten Privaten fordern außerdem, für Sponsoren von Sendungen auch innerhalb der Unterbrechungen werben zu dürfen. Bisher ist ihnen nur die Nennung vor und nach der Sendung erlaubt. Im Gegenzug geben sich die Sender durchaus problembewußt: Im Namen des Jugendschutzes wollen sie sich künfig selbst kontrollieren und kündigten an, am 23. November in Bonn den „Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.“ zu gründen. In Zusammenarbeit mit den „sachkundigen Partnern“ Landesmedienanstalten (Doetz) – die sonst nur Kritik ernteten – und durch zu schaffende unabhängige Beiräte wollen die Sender gesellschaftliche Verantwortung zeigen. Impulse dazu können nach ihrem Verständnis sowieso nur noch von ihnen kommen. „Die öffentlich-rechtliche Grundversorgung bedeutet heute eine Grundversorgung mit Larmoyanz, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit – all das, was unsere Gesellschaft nicht brauchen kann“, so Doetz.

Ausgerüstet mit diesem Selbstverständnis erwarten die Privaten von den am 17. Dezember in Bonn versammelten Ministerpräsidenten auch positive Signale in Sachen Konzentration. Der VPRT favorisiert das sogenannte Marktanteilsmodell. Bei dem wäre entscheidend, ob „Sender X Anteile an beispielsweise zwei Vollprogrammem hat“, wie Verbandsvize Doetz in einem Gespräch erläuterte: „Wenn das nicht zusammen 33 Prozent des Marktes überschreitet, ist das unschädlich.“ Für ihn gebe es keine konzentrierte Meinungsmacht bei den elektronischen Medien der Bundesrepublik, keine „ernstzunehmende Möglichkeit“, die politische Meinung zu gefährden: „Uns drohen keine Zustände à la Hugenberg.“

Karlheinz Hammer, Geschäftsführer von Antenne Bayern, kündigte an, daß der Verband weiter gegen das Projekt des nationalen Hörfunks kämpfen werde und diesen zusätzlichen Konkurrenten „ohne eigentlichen Programmauftrag“ verhindern wolle. Kein sonderlich freundliches Signal in Richtung Ministerpräsidentenkonferenz, von der sich die Privaten soviel erwarten. Tilo Gräser

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