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Frankreich wird zum Freizeitpark: 32-Stunden-Woche

■ Bundesregierung in Bonn mauert weiter: Keine Subventionen für die Viertagewoche

Paris/Berlin (AFP/dpa/taz) – Frankreich spielt in der Arbeitszeitpolitik wieder einmal den Vorreiter. Nach der Einführung der 39-Stunden-Woche vor zehn Jahren hat der französische Senat gestern eine versuchsweise Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden verabschiedet. Nach heftigen Debatten stimmten 159 Senatoren für und 135 gegen den Zusatzantrag zu dem Fünf-Jahres-Beschäftigungs- Pakt der konservativen Regierung. Danach will der Staat die französischen Unternehmen mit Zuschüssen und Abgabenkürzungen finanziell unterstützen, wenn sie die 32-Stunden-Woche „auf Experimentierbasis“ einführen. Im ersten Jahr sollen 40 Prozent und in den beiden folgenden Jahren jeweils 30 Prozent der Lohnnebenkosten vom Staat übernommen werden – unter der Bedingung, daß die Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten nach der Arbeitszeitverkürzung ihre derzeitigen Belegschaften um mindestens zehn Prozent erweitern. Die Beschäftigten sollen für die zwanzigprozentige Arbeitszeitverkürzung auf durchschnittlich sieben Prozent ihres Einkommens verzichten. Um Gesetzeskraft zu erhalten, muß die Vorlage aber noch die Nationalversammlung passieren.

Der Entwurf wurde mit der Mehrheit des bürgerlichen Lagers in der zweiten Kammer verabschiedet. Kommunisten und Sozialisten lehnten den Vorschlag ab. Sie wittern in der Idee pures Wunschdenken, damit die Massenarbeitslosigkeit wirksam bekämpfen zu können. Auch Wissenschaftler und Sozialpartner sind sich uneinig darüber, wie sich die Arbeitszeitverkürzung auf die Beschäftigungssituation und den Arbeitsmarkt auswirken wird. In denjenigen Unternehmen, die wie der Stromkonzern EDF oder Thomson- Tubes schon von sich aus zur Arbeitszeitverkürzung gegriffen hatten, konnten zwar keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, jedoch eine nicht geringe Zahl bedrohter Jobs gerettet werden.

In Deutschland dagegen will die Regierung weiter keine Experimente wagen. Das Kabinett hat sich gegen eine staatliche Subventionierung der Viertagewoche ausgesprochen. Entlohnung und Arbeitszeit müßten alleinige Sache der Tarifpartner bleiben. Lohnzuschüsse, wie von SPD und Gewerkschaften gefordert, seien zudem weder rechtlich noch finanziell möglich, hieß es aus der Bundesanstalt für Arbeit. Auch Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann sprach sich gegen eine Kompensation durch öffentliche Kassen aus: Die Viertagewoche müsse ohne Mehrkosten gestaltet werden. Keine Chancen hat offenbar auch der Vorschlag der CDU-Sozialausschüsse, den steuerlichen Grundfreibetrag für diejenigen Beschäftigten zu erhöhen, die freiwillig kürzer arbeiten. Seiten 6 und 10

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