■ Chef der Klima-Enquetekommission für neue AKWs: Ökopause im Klimazirkel
Ein CDU-Bundestagsabgeordneter, kein Hinterbänkler, aber auch kein Vorturner seiner Fraktion, bricht eine Lanze für die Atomkraft. Wahrlich keine Sensation. Eher eine Meldung für den redaktionellen Papierkorb. Doch Klaus Lippold spricht zu uns als Vorsitzender der Enquetekommission „Schutz der Erdatmosphäre“. Und das macht seinen bedingungslosen Einsatz für die nukleare Stromerzeugung zum Signal.
Lippold zieht den Schlußstrich unter einen seit Jahren nur noch von der Atomlobby bestrittenen und maßgeblich von der Klimakommission in der Öffentlichkeit verankerten wissenschaftlichen Konsens: Als Antibiotikum gegen die steigende Fieberkurve unseres Planeten ist die Atomenergie ein eher ungeeignetes Mittel. Im Vordergrund jeder Therapie stehen Energieeinsparung, Effizienzsteigerung, regenerative Energiequellen.
Wie kaum ein anderes Gremium des Bundestages erwarb sich der parlamentarische Klimazirkel seit seiner Installation Ende 1987 hohes Ansehen – diesseits und jenseits der nuklearen Barrikade. Bienenfleißig und unter Wahrung einer wohltuenden Distanz zum gemeinen Parteiengezänk erarbeiteten die Mitglieder die Grundlagen möglicher Pfade aus der Klimakrise. Der Atomenergie wiesen sie den Stellenwert zu, der ihr in diesen Zusammenhang zukommt: eben unter „ferner liefen“. „Die Kernenergie“, bekundete Bernd Schmidbauer, Lippolds Parteifreund und Vorgänger im Amt des Kommissionsvorsitzenden, „ist nicht die zentrale Frage, um die es heute geht.“ Schmidbauer hatte recht und Lippold klatschte Beifall.
Die Kehrtwende kommt nicht von ungefähr. Sie hat wenig zu tun mit den eben gescheiterten Gesprächen für einen neuen Energiekonsens. Dafür um so mehr mit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Klaus Lippold macht aus einer seriösen Enquetekommission zum Schutz der Umwelt eine unseriöse zum Schutz des „Standorts Deutschland“. Ohne Reaktortechnik fürchtet er den deutschen Abstieg in die „Zweitklassigkeit“. Das erinnert fatal an jenen Atomlobbyisten, der Deutschland in den 70er Jahren auf den Rang eines Entwicklungslandes zurückfallen sah, falls es der Firma Siemens nicht erlaubt sei, Schnelle Brüter zu entwickeln und zu exportieren. Oder an jenen Atomminister, der mit sorgenumwölkter Stirn vors Publikum trat und erklärte, wer keine Atomkraftwerke in alle Welt liefere, werde irgendwann auch beim Export von Staubsaugern der Konkurrenz hinterherlaufen. Mit Lippolds Vorstoß ist die Ökopause in der Klima-Enquetekommission angekommen. Gerd Rosenkranz
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