: Südafrikanische Söldner gegen die Unita
Die angolanische Regierung heuert Anti-Guerilla-Kämpfer an, die früher die Guerilla unterstützten / Finanzierung aus dem Geschäft mit Diamanten und Erdöl ■ Aus Luanda Willi Germund
Die Aussicht könnte nicht schöner sein. Vom Balkon der „Casa de Deportes“ schweift der Blick über Luandas Strand und die Weiten des Atlantischen Ozeans. Jimmy, ein breitschultriger Hüne mit blau tätowierten Unterarmen und südafrikanischem Akzent, wird plötzlich mißtrauisch. Die bierselige Vertrautheit schlägt binnen Sekunden in kaum verhüllte Feindseligkeit um. Der Anlaß: Die Frage nach seiner Tätigkeit. Als Jimmy dann noch einen nicht minder kräftig gebauten Kumpel hinzuruft, scheint ein hastiger Rückzug zum Parkplatz vor der Söldnerherberge angebracht. Vom Balkon der ersten Etage starren drei Männer mit Maschinenpistolen, die Augen trotz hereinbrechender Dunkelheit hinter Sonnenbrillen versteckt.
Klischees über Klischees: Die Frauen-Tätowierungen zucken im Spiel von Jimmies Armmuskeln. Große Sprüche, Geheimnistuerei und Gewehre – Fragen sind nicht willkommen beim Geschäft mit dem gegenwärtig schlimmsten Krieg der Welt, Angeberei dagegen schon. Etwa 100.000 Menschen sind nach UN-Schätzungen ums Leben gekommen, seit die Rebellenbewegung Unita im Herbst des vergangenen Jahres nach ihrer Wahlniederlage einen neuen Buschkrieg startete – und Geschäftemachern sich ungeahnte Möglichkeiten erschlossen.
„Wir führen keinen ideologischen Krieg mehr“, sagt in Luanda General Joao de Matos, der Generalstabschef der angolanischen Streitkräfte. So heuern plötzlich ehemalige Soldaten aus Südafrika an, die einst im Auftrag ihrer Regierung auf seiten der Rebellenbewegung Unita der Regierung in Luanda das Leben schwer machten. Aber auch Oberst Yossi, einst Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad, besitzt nun keine Bedenken mehr, seine Kenntisse gegen harte US-Dollars feilzubieten. Er wird allgemein als Chef der ungemütlichen Burschen in der Casa de Deportes bezeichnet.
Israelis, die bei der Einsatzplanung beraten; Südafrikaner; die Wache schieben; Russen, die früher offiziell geflogen sind und heute ihre Kenntnisse als Kampfpiloten zur Verfügung stellen; verkrachte Politiker wie der südafrikanische Konservative Koos van der Merwe, die ihre Anwaltskontakte nutzen; Glücksritter und Ganoven, die auf leichtes Geld hoffen. Angolas Regierung kann dank 550.000 Barrel täglicher Erdölproduktion reichlich Dollars fließen lassen, um die demoralisierte Armee wieder aufzubauen. Unita leidet durch seinen Handel mit Diamanten ebenfalls nicht unter finanziellen Nöten.
Die Grenzen, die der Kalte Krieg setzte, sind gefallen. Und die Risiken scheinen nicht allzu groß zu sein. Dieses Gefühl jedenfalls vermittelt Carlos Ferreira, ein weißhaariger Portugiese, im Cockpit seiner 30 Jahre alten Noratlas. Die Maschine mit dem silbrig- glänzenden Rumpf, die einst französischen Fallschirmjägern im Kolonialdienst diente, dröhnt in aller Ruhe über den angolanischen Busch weg.
„Wir sind keine Söldner, wir werden für unsere Fachkenntnisse bezahlt.“
Das Cockpit als Büro: Während zwei schweigsame Piloten mit militärisch kurzem Haarschnitt die Instrumente im Auge behalten, koordiniert Ferreira über sein hochmodernes Sprechfunkgerät die Geschäfte in Zaires Hauptstadt Kinshasa. Die Fracht: Meist handelt es sich um Blechtonnen voll Treibstoff für Angolas Rebellenbewegung Unita. Der Stoff, so der gemütliche Portugiese, kommt aus Südafrika. Furcht vor der angolanischen Luftwaffe? Ferreira winkt verächtlich ab.
Auf Luandas Flughafen starten täglich riesige Iljuschin-Frachtflugzeuge der russischen „Novia“ für Angolas Streitkräfte. An Bord: Panzer, Kanonen, Soldaten und deren Verwandte. Die Schweizer Fluggesellschaft „Lavex Air Cargo“ hebt regelmäßig mit einer Antonow 12 vom Flughafen Lanseria nahe der südafrikanischen Wirtschaftsmetropole Lanseria ab. An Bord: Söldner für Angolas Armee.
„Wir sind keine Söldner“, behauptet einer der Passagiere, „wir werden für unsere Fachkenntnisse bezahlt.“ Nach der Landung in Luanda und einer Zwischenstation in der Casa de Deportes geht es dann weiter nach Cabo Lehdo. Dort werden angolanische Kommandos ausgebildet. Die Söldner, oft ehemalige Mitglieder von Pretorias Special Forces, vermitteln vor allem ihre Spezialkenntnisse. Die meisten kämpften früher mit Südafrikas Streitkräften auf seiten der Rebellenbewegung Unita.
Doch so ändern sich die Zeiten. „Wir wissen nicht, wie wir das Söldnerproblem lösen sollen“, stöhnt ein Mitarbeiter der südafrikanischen Botschaft in Luanda, „es kommen Hunderte.“ Südafrikas Streitkräfte, kurz vor einem Abkommen über Militärhilfe mit Angola, legt den Kriegsgewinnlern Steine in den Weg, wo es nur geht. Im Oktober konnte so zumindest ein Flug verhindert werden. Der Vorwand der Südafrikaner: Die Piloten von Lavex hätten ihre Getränkerechnung in der Messe nicht ordnungsgemäß beglichen.
Angesichts der Summen, die im Geschäft mit dem Tod fließen, eine wahrlich lächerliche Angelegenheit. Zwischen 2.500 und 10.000 US-Dollar zahlt Eeden Barlows Firma „Executive Outcome“, die in Pretoria ansässig ist, den Männern, die nach Angola gehen. Offiziell bestreitet die Firma, etwas mit den Bewohnern der Casa de Deportes in Luanda zu tun zu haben.
Die vorgebliche Wachpostentätigkeit ist nicht so harmlos
Das Unternehmen heiße „Ango- Segu“ und sei eigenständig. Aber Jimmy erzählt dort in aller Breite – bevor er ungemütlich wird – von zwei Freunden, die Anfang des Jahres in der Stadt Soyo ins Gras gebissen hätten. Die Unita-Rebellen hatten dort die Ölinstallationen der staatlichen Firma „Sonangol“ angegriffen. Die Südafrikaner hatten schon zuvor in einem Fernsehinterview die Befürchtung geäußert, die Publizität für ihr Engagement als „simple Wachposten“ könnte sie zur Zielscheibe der Unita machen. Mehrere Söldner wurden damals verletzt und in Krankenhäuser in Namibia gebracht. Soyo bewies, daß die vorgebliche Wachpostentätigkeit so harmlos nicht ist. Die forschen Männer von hartem Schlag fuhren in Autos umher, deren Lack mit dicken schwarzen Klebestreifen zur Tarnung überklebt war. Und sie bemannten Kanonen und Artilleriegeschütze.
Die südafrikanische Agentur Executive Outcome schloß mit Angolas Regierung einen Einjahresvertrag ab. Aber die Verbindung zu „Ango-Segu“ wird sicherstellen, daß auch danach noch US- Dollars zu verdienen sind. Denn beide Firmen können auf hohe Protektion rechnen. Neben dem früheren angolanischen Vize-Entwicklungsminister John Pinnock, wird dafür vor allem Oberst José Maria sorgen – seit einem Jahr ohne einflußreichen Posten in der Regierung, aber ein ehemaliger Mann der Staatssicherheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen