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Verfassungsentwurf für Rußland veröffentlicht

■ Entscheidung für bundesstaatliche Lösung

Gestern morgen wurde in Moskau der vollständige Text des Verfassungsentwurfs veröffentlicht, über den am 13. Dezember die Völker Rußlands abstimmen werden. Der Text, an dem bis zur letzten Minute gefeilt worden ist, proklamiert zum erstenmal in der russischen Geschichte die Prinzipien eines demokratischen und föderativen Rechtsstaats. Die hauptsächliche Streitfrage – präsidiale oder parlamentarische Demokratie – war nach der Auflösung des Volksdeputiertenkongresses und der nachfolgenden Niederlage des Putschversuchs nationalistisch-stalinistischer Kräfte zugunsten der präsidialen Lösung vorweg entschieden worden. Entsprechend weit sind die verfassungsmäßigen Befugnisse des Präsidenten, die nach amerikanischem beziehungsweise französischem Vorbild gefaßt sind, beispielsweise bei der Verhängung des Ausnahmezustandes. Der Verfassungstext enthält einen umfänglichen Grundrechtsteil, die Grundrechte gelten unmittelbar und, soweit ersichtlich, ohne Gesetzesvorbehalt. Darin enthalten ist das Recht auf Privateigentum. Die Verfassung verpflichtet die Staatsorgane auf eine Reihe sozialer Rechte. Aus dem übermittelten Text war nicht ersichtlich, welche endgültige Fassung das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und die Absichtserklärung zur Abschaffung der Todesstrafe erhalten haben. Der Entwurf sichert den Parteienpluralismus, enthält allerdings eine relativ weitgehende Umschreibung verfassungswidriger Aktivitäten, die zum Verbot führen können. Die Unabhängigkeit der Justiz wird gewährleistet.

Bis zuletzt war umstritten, ob Rußland künftig eher Bundesstaat oder Staatenbund werden soll. Die Entscheidung fiel letzte Woche zugunsten der Föderation mit einheitlichem Staatsbürgerrecht, allerdings weitgehenden Rechten der Teilrepubliken und autonomen Gebiete. CS

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