: Völlig auf dem Hund Von Klaudia Brunst
Meine Freundin und ich, wir gehen gerne schoppen. Am letzten Samstag haben wir uns einen Hund gekauft. Vor Karstadt. Von so einer armen Junkie-Frau. Letztlich also so eine Art Spontankauf. Aber irgendwie war es doch auch überlegt. Denn schon lange wollten wir unser Leben ändern, meine Freundin und ich, wollten endlich mal so gesunde Dinge tun wie im Wald spazierengehen oder mit dem Fahrrad an der Havel entlang oder... „Mit langem City-Samstag ist dann allerdings nix mehr“, wußte meine Freundin. Aber mein Steuerberater findet sowieso, daß ich in diesem Punkt meine Lebensführung modifizieren sollte.
Aus Sparsamkeit schafft man sich jedoch letztlich besser keinen Hund an. Das haben wir schnell begreifen müssen. Denn als erstes mußten wird dann doch wieder ins Kaufhaus: Hundefutter, Hundeleine, Hundeshampoo, Hundeknochen und ein Hundebuch. Alles zusammen für 154,70 DM. „Hach, ist der niedlich“, meinte die Verkäuferin, als sie uns das Wechselgeld herausgab, „ist der Kleine denn auch schon stubenrein?“ Als wir bedauernd den Kopf schüttelten, packte sie gleich noch ein schnell wirksames Teppichshampoo dazu. Noch mal 14,80 DM.
Wir waren ihr schnell dankbar für diese weitsichtige Zugabe. Denn kaum waren wir, der Hund, die Tüten und das Shampoo zu Hause, erfreute uns der niedliche Kleine schon mit einem ersten Bächlein. „Und nun zur Stubenreinheit, lieber Tierfreund“, las meine Freundin auf Seite 47 unseres Hundebuchs nach. „Beobachte den Welpen unaufhörlich, damit er sich nicht in der Wohnung vergeht. Pack ihn in dem Moment, wo er sich anschickt, seine geheimen Ansichten in die Tat umzusetzen, am Nackenfell, heb ihn auf und trage ihn in Windeseile ins Freie.“ „Nichts leichter als das“, stöhnte meine Freundin, als sie wieder einmal die vier Treppen nicht schnell genug hinuntergekommen war, „schon wieder ein Pullover reif für die Reinigung.“
Kurzum: Unser Leben hat sich mit dem Einzug des Hundes erwartungsgemäß von Grund auf geändert. Allerdings doch etwas anders, als wir es gedacht hatten. Als erstes waren wir von der Außenwelt abgeschnitten. Der Hund hatte das Telefonkabel zerbissen. Dann kamen die Ränder unter den Augen dazu, denn seit letzten Samstag beobachten wir in streng durchorganisierten Vier-Stunden-Wechselschichten nun gleichermaßen den Welpen und den Teppich, schleppen uns dann um sechs Uhr zum Konsum, kaufen Brötchen, noch mehr Teppichshampoo – und Essigessenz gegen den Geruch.
Natürlich haben wir auch Spaß mit dem Tier. Wenn es schläft oder gerade gemacht hat. „Einmal dies, einmal das!“ kommt meine Freundin jetzt allmorgendlich triumphierend aus dem Park zurück. Kein Gesprächsthema ist so ergiebig wie der Verdauungszyklus unseres Hundes. Außerdem entspricht es zu hundert Prozent unserer derzeitigen Erlebniswelt.
Seit gestern allerdings habe ich doch Zweifel an unserem neuen Leben. Da saßen meine Freundin und ich hundemüde am Früstückstisch, und sie wollte mir gerade erzählen, was der Welpe gestern alles kaputtgemacht hat, da mußte ich kurz aufs Klo. „Und?“ fragte meine Freundin, als ich wiederkam, „Erfolg gehabt?“ „Einmal dies, einmal das“, kam es aus mir heraus. Alte Scheiße.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen