■ Press-Schlag: Käfighaltung passé?
Früher, als die Welt noch übersichtlicher war, galten die Sicherheitsexperten des Deutschen Fußballbundes (DFB) als knallharte Betonköpfe. Nach jedem Krawall im Fußballstadion forderten sie mehr Polizei und Videoüberwachung, mehr und höhere Zäune und wollten die Stadionbesucher schließlich auf Sitzplätzen in die Knie zwingen. Ihnen gegenüber stand eine kleine Schar von tapferen Sozialarbeitern, die heftig gegen solches Law-and-Order-Denken opponierte, eine Befriedung der Szene über Fan-Projekte forderte und eine Anerkennung ihrer Arbeit durch den Fußballbund.
Und heute? „Eigentlich“, so bekennt Wolfgang Holzhäuser, „hätte ich erwartet, daß die Fan- Projekte nun wie Pilze aus dem Boden schießen würden.“ Aber der Mitarbeiter der Direktion Liga beim DFB registriert bedauernd eine „enttäuschende Resonanz“, und das angesichts des „großen Interesses“, das „die Solidargemeinschaft der Profivereine an der Betreuung ihrer Fans“ hat. Solche Äußerungen verraten nicht nur eine neue Sprachregelung, sondern auch eine veränderte Haltung. Jährlich 2,8 Millionen Mark aus dem Topf der Fernsehgelder stellt der DFB in den nächsten drei Jahren für Fan-Projekte zur Verfügung. Das wäre bei jedem Erstligisten maximal 100.000 DM, und 60.000 DM je Zweitligist pro Spielzeit.
Die mittlerweile etablierte Partnerschaft mit dem DFB und dessen Finanzierungszusagen haben die chronischen Geldprobleme der Fan-Projekte aber nicht grundlegend gelöst. Die Kritik von Holzhäuser über den schleppenden Aufbau von weiteren Projekten richtet sich aber an Länder und Kommunen. Zuschüsse für Fan-Projekte gibt der DFB nur dann, wenn Städte und Bundesländer ihrerseits zwei Drittel der Finanzierung zugesagt haben. Das bedeutet, daß die Höchstförderung des DFB selten ganz ausgeschöpft wird. Da beispielsweise das Projekt in Nürnberg aus öffentlicher Hand nur 45.000 DM erhält, beschränkt sich der Anteil des DFB auf 22.500 DM.
Stellen sich die Zukunftsaussichten der zur Zeit 13 Fan-Projekte trotz der Unterstützung durch den DFB wieder einmal eher durchwachsen dar, freuen sich diese über den Lernprozeß beim Fußballbund. „Beim DFB sind die Hardliner in die Defensive geraten“, meint Thomas Schneider von der Koordinierungsstelle für Fan-Projekte. „Inzwischen ist klar, daß man komplexere Lösungen gegen Gewalt braucht.“ Die gesamte Sicherheitsphilosophie ist seit dem Amtsantritt von DFB-Präsident Egidius Braun in Bewegung gekommen. Das hat sich in der Ablehnung der reinen Sitzplatzstadien durch die Liga- Vereine gezeigt, die der DFB auch für internationale Spiele durchzusetzen versuchte. Allerdings ist er damit in UEFA und FIFA zur Zeit isoliert.
Außerdem deutet sich noch ein weiterer Schritt in Richtung Abrüstung beim Thema „Stadionsicherheit“ an. Mit dem Vorstoß des 1. FC Kaiserslautern, in der kommenden Spielzeit vor dem Fanblock im Fritz-Walter- Stadion den Zaun zu entfernen, gelang es dem Klub, Egidius Braun „zu beeindrucken“, wie dieser sagte. Auch der FC St. Pauli hat an diesem Projekt Interesse angemeldet, und beim VfL Bochum fordern die Fans – ausdrücklich auch der Oberbürgermeister der Stadt – bereits heute „freie Sicht in die erste Liga“. Von den Fan-Projekten wurden diese Initiativen in der letzten Woche bei ihrer Bundeskonferenz in Bochum ausdrücklich begrüßt. Sollte man beim DFB in dieser Frage zu dem Beschluß kommen, die Käfighaltung von Fußballfans zu beenden, wären wohl auch die letzten Zweifel ausgeräumt, daß die alten Zeit vorbei sind. Christoph Biermann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen