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Die Inflation der Billig-Ökologie

■ „Workshop Bodenrecycling“ kritisiert Investitionserleichterungsgesetz

Ist schneller immer auch besser?

Für den „Workshop Bodenrecycling“, zu dem sich gestern Naturschützer, Behördenplaner und Industrievertreter aus der ganzen Republik auf Einladung der „Nordac“ in Hamburg versammelten, war dies die Frage des Tages. Auf dem Prüfstand: Das neue Investitionserleichterungsgesetz, das – mit Blick auf den Aufschwung Ost – Zulassungsverfahren für Neu-Investitionen verkürzen soll.

Manfred Lorenz, Geschäftsführer der Hamburger Klöckner-Tochter „Nordac“, die seit 1991 die erste Hamburger Bodenwaschanlage betreibt, sieht vor allem Gefahren: Die vereinfachte Genehmigungspraxis führe „zu einer Inflation von Bodensanierungsanlagen mit fadenscheiniger Technologie, bei der Arbeits- und Emissionsschutz nicht zählt“. Die Folge: Billige Verfahren, die nicht dem Stand der Umwelttechnologie entsprechen, gewinnen zunehmend an Boden – auf Kosten der Natur.

Zur Zeit befinden sich bundesweit mehr als 150 Anlagen, die pro Jahr zwischen 3.000 und 200.000 Tonnen verunreinigtes Erdreich säubern können, in der Planung oder im Bau. Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt forderte auf der gestrigen Tagung hingegen eine drastische „Verkürzung der Genehmigungszeiten“ für Anlagen des technischen Umweltschutzes. Während früher neue Müllverbrennungsanlagen stets mit einer „zusätzlichen Umweltbelastung verbunden gewesen“ seien, deshalb zurecht ein hohes Maß an BürgerInnenbeteiligung nötig gewesen sei, sei die Realität heute anders: „Fast alle Neuinvestitionen reduzieren die Umweltbelastung“. Als Beispiel nannte der Senator die 130 Millionen teure Dioxinentgiftung der Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor, die in nur sechs Monaten genehmigt wurde. Vahrenholt: „Daß sich das vergleichbare Verfahren für die Müllverbrennungsanlage Stapelfeld über Jahre hinzieht, tut der Natur nicht gut“. Denn die MVA Stapelfeld stoße in nur zwei Jahren soviel Dioxin aus wie die nachgerüstete Abfallverbrennungsanlage in Stellingen in einem Jahrhundert.

Während für „Standardverfahren wie Bodenwaschanlagen“ die Genehmigungsfristen verkürzt werden sollten, ist für den Senator bei in ihren Auswirkungen schwer berechenbaren Techniken wie der Gentechnologie eine aufwendigere Prüfung vonnöten: „Hier muß man aufpassen, daß die Öffentlichkeit nicht ausgebremst wird“.

Doch oft erscheint das Prüfverfahren etwas kompliziert: Als 1990 das Genehmigungsverfahren für das Kohlekraftwerk Tiefstack begann, karrten die Betreiber per Möbelwagen 1,2 Tonnen prüfungsrelevante Unterlagen in die Umweltbehörde. Deren MitarbeiterInnen brauchten allein zum vorgeschriebenen Stempeln der einzelnen Seiten mehrere Tage. Marco Carini

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