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Dankesrede mit Knallkörpern

■ Wie Steffen Heitmann von den hannoverschen StudentInnen empfangen wurde

„Natürlich bin ich nicht glücklich wegen dieser Demonstration. Darüber freut sich doch keiner“, sagte der sächsische Justizminister Steffen Heitmann nach seinem Vortrag in der niedersächsischen Landesbibliothek diese Woche. Heitmann war von der Juristischen Studiengesellschaft in Hannover eingeladen worden, um über die Entwicklung neuer Rechtskulturen in Ostdeutschland zu sprechen. Nur mit Hilfe der Polizei und durch den Nebenausgang konnte er unbemerkt in das Gebäude der Bibliothek eingeschleust werden.

Etwa 300 DemonstrantInnen hatten sich vor der Landesbibliothek versammelt, um Heitmann, den CDU-Kandidaten für das Bundespräsidentenamt, am Sprechen zu hindern. „In den Suppentopf mit dir!“, schrien sie. Steine und Flaschen flogen durch die Luft, Knallkörper explodierten am Boden vor den Polizeiketten. „Heitmann — Rassist und Frauenfeind. Nein danke“, stand auf Plakaten.

Es waren im wesentlichen zwei Äußerungen des Politikers aus Sachsen, die bei den hannoverschen StudentInnen auf Protest stießen: Die Bestimmung der Frau sei die Mutterschaft, soll Heitmann einmal gesagt haben. „Frauen können nicht die seit Jahrtausenden männlich bestimmten Strukturen ausfüllen“. Außerdem soll er sich gegen die Zahl der AusländerInnen in Deutschland ausgesprochen haben. „Wir müssen jetzt nicht noch jemanden haben, der das rassistische Klima im Land verstärkt“, erklärt ein Demonstrant.

Während auf der Straße die Funken flogen und etliche nichteingelassene Studenten wütend gegen die Türen klopften, spürte man im Katalogsaal der Landesbibliothek von der geladenen Atmosphäre nichts. Hier schienen die Konflikte plötzlich aus dem Weg geräumt. Das Publikum — ProfessorInnen, JuristInnen und Interessierte — lauschte aufmerksam dem Vortrag und klatschte Beifall. Heitmann sprach an diesem Abend über die Wende, über die Entwicklung eines Rechtsstaates und die Opfer der DDR-Unrechtsjustiz. Die Fragen, die die StudentInnen in Hannover zur Demonstration bewogen hatte, ließ der Minister beiseite. Erst als Heitmann in der Anschlußdiskussion über seine Meinung zu den aktuellen politischen Themen gefragt wurde, stellte er sein politisches Kredo dar: Nein zu Drogenfreigabe, ja zu Bundeswehreinsätzen unter der UNO- Flagge, ja zur Elektronischen Überwachung in der Kriminalitätsbekämpfung.

In einer Dankesrede zum Schluß lud die Juristische Studiengesellschaft Steffen Heitmann zu ihrer nächsten Veranstaltung im Dezember ein. Das konnten die hannoverschen StudentInnen, die vor der Landesbibliothek ihre Transparente und Flüstertüten gerade wieder einpackten und nach Hause gingen, allerdings nicht hören. Danyel Reiche

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