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Aneinander vorbeidialogisiert

■ Bauernstraßenanwohner und ein Staatsrat: Mißtrauen siegt! / Runder Tisch hat neuen Moderator

Das Geburtagskind Loriot hätte seine helle Freude gehabt: Gestern hatte die Anwohnerinitiative Bauernstraße den Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack in die Drogenberatungsstelle (Drobs) geladen. Das Gespräch verlief frei nach dem Schema: „Berta, das Ei ist hart“ — „Zu viele Eier sind gar nicht gesund“. Hoppensack sollte Rede und Antwort stehen, wann die Drobs aus der Wohnstraße verschwindet. Das hatte die Ressortspitze beim Runden Tisch zum Drogenproblem im Viertel versprochen. Doch beide Parteien saßen sich wie ein altes Ehepaar gegenüber: Alles ist gesagt, jeder kann die Argumente des Gegenüber auswendig daherbeten, jeder weiß um die wunden Stellen des anderen — und zielt immer wieder darauf.

Die Sprecherin des Sozialressorts hatte Ende Oktober gegenüber der taz gesagt, die Drobs müsse in der Nähe der Szene bleiben. Das hatten die argwöhnischen Anwohner sofort interpretiert als: Die Drobs muß da bleiben, wo sie ist. Dabei hatte die Initiative schon ein Ausweichquartier gefunden: Bei der Senatskommission für das Personalwesen könnte ein Teil des Gebäudes abgeteilt werden, meinten die AnwohnerInnen und stellten am Donnerstag schon mal ein Bauschild auf. Bodo Bilinski von der Initiative hatte bei Hoppensack ein Go In angekündigt, wenn der Staatsrat nicht zum Gespräch bereitstehe. „Der Ton“, in dem Bilinski mit seiner Sekretärin geredet hatte, der passe ihm nicht, eröffnete Hoppensack das Treffen. Man solle sich doch bitteschön einer „mitteleuropäischen Form“ befleißigen. „Mitteleuropäisch“: Die Anwohner wiederholen immer wieder ihre Bedrängnis, die Behördenvertreter beteuern immer wieder, wie schwer es ist, da Abhilfe zu leisten.

Die Sozialsenatorin hat bislang zwei alternative Standorte verworfen, drei weitere werden gegenwärtig geprüft, allesamt im Beiratsbereich Mitte. In absehbarer Zeit sollen die Standorte auch mit dem Beirat besprochen werden. Mit dieser Mitteilung hätte das Gespräch beendet werden können. Einerseits: Das war eine konkrete Angabe, aber die Initiative wollte unbedingt Fristen hören, auf die sich Hoppensack jedoch partout nicht festlegen wollte. Andererseits: So schnell sollte der Staatsrat auch nicht entlassen werden.

So begann ein gut geübtes Spiel: Immer dann, wenn das Feuer des lang angestauten gegenseitigen Mißtrauens zu erlöschen drohte, fand sich jemand, der ordentlich Öl nachgoß, mal Mitglieder der Initiative, mal Hoppensack. Die Aktion an der SKP sei ja wohl „didaktisch“ gemeint gewesen, meinte Hoppensack spitz. „Aber Sie können ja didaktisch nachlegen.“ Und zu einem Initiativenmitglied gewandt: „Da hab ich keine Bedenken bei Ihnen.“ Und Bodo Bilinski beharrte trotz der Zusagen auf seinem Mißtrauen: „Wir sollen hier offensichtlich weiter damit leben“, resümierte er. „Was wir von Ihnen hören, das ist nebulös.“ Zum Abschied überreichte er Hoppensack die „Goldene Schlafmütze“, die der empört über den Tisch zurückschob.

Vor einigen Wochen hat Ortamtsleiter Hucky Heck die Moderation des Runden Tisches niedergelegt. Die Gesprächssituation sei verfahren. Die Einladungen für den nächsten Termin sind verschickt, ein neuer Moderator ist auch schon gefunden: Albrecht Lampe, taz-Geschäftsführer und als langjähriger Chef des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes betroffenengestählt. Der gestrige Termin zeigte vor allem eines: Viel Arbeit für Lampe.

Jochen Grabler

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