: Wenn Vattern räuchert
■ Irmgard Schriever: Seit zwanzig Jahren unter 13616 am Umwelttelefon
Gestern knallten beim Umweltsenator die Sektkorken, und es gab allen Grund dazu: Seit genau zwanzig Jahren sitzt Irmgard Schriever am Umwelttelefon, dem ersten in Deutschland. Wähle 13616, und schon leitet die agile Mitarbeiterin die Beschwerden weiter, verschafft Abhilfe, wo es geht, erklärt auch dem Hartnäckigsten, warum sein Problem nicht gelöst werden kann. Und wenn die Leute gar zu unverschämt sind, dann gibt es den Kollegen Klaus Langer. Irmgard Schriever: „Der ist schonmal härter. Aber die Anrufer sind meistens ganz höflich.“
Am 15. November 1973 war es, als die Umweltschutzabteilung beim Gesundheitssenator das Bürgertelefon einrichtete. Damals waren für den Umweltschutz ganze sechs MitarbeiterInnen zuständig. Irmgard Schriever hatte sich auf den Posten beworben, die paar Umweltschutzgesetze, die hatte sie sich selbst beigebracht. Und seitdem ist sie am Ball geblieben. Öl auf dem Wasser? Keine Panik, machen Sie erstmal den Schrieverschen Stöckchentest: Wenn sich Schlieren bilden muß die Feuerwehr ran. Wenn sich der Film aber in Stücke auflöst, was er meistens tut, „dann ist das nur Mangan und Eisen. Haben wir reichlich.“
120 bis 150mal klingelt das Telefon pro Monat. Mehr sei auch gar nicht zu schaffen. Und wenn es irgendwo brennt, dann müssen die KollegInnen aushelfen: „Bei Tschernobyl hatten wir fünf Telefone gleichzeitig.“
„Früher riefen die Leute wegen jedem Pups an. Heute hat das schon Hand und Fuß“, erzählt Irmgard Schriever. Doch die schlechte Stimmung gegenüber „der Politik“ macht auch vor ihr nicht halt. Die Leute seien zwar kompetenter, aber auch „unfreundlicher und aggressiver“ geworden. Da hagelt es schon mal Beschimpfungen, wenn sie nicht sofort Abhilfe versprechen kann. Dann heißt es ganz schnell „Wofür sitzt Ihr denn da?“
Müll, Gestank, Öl, Baumschutz - die Kummerliste ist lang. Eine kleine Auswahl der letzten Woche: Da beschwert sich eine Frau bitterlich über die Abholzung einer 50 Jahre alten Birke, und die Baumschutzabteilung hat auch noch das OK gegeben. „Wir werden Sie nie wieder wählen, da kommt noch was auf Sie zu.“ Und eine andere beschwert sich nicht minder bitterlich über die Anpflanzung von zwei Bäumen: „Vier vor dem Haus, drei hinterm Haus. Wir sind mit Bäumen eingedeckt, wir wissen überhaupt nicht wohin mit dem Laub. Hören Sie mir mit den Scheiß-Bäumen auf.“
Wenn die Nachbarn nicht mehr miteiander können - Rufen wir doch mal beim Umweltsenator an: „Dann sagen wir immer, die sollen erstmal mit dem Nachbarn reden, ehe wir dem die Polizei auf den Hals hetzen.“ Aber manchmal gibts auch hartnäckige Fälle: „Mein Nachbar räuchert wieder Fisch, immer wenn so drückendes Wetter ist. Machen Sie mal was“, ärgerte sich ein Mann am Telefon. Er solle doch erstmal selbst versuchen, die Sache zu regeln, war die Antwort. Der Mann aber weigerte sich hartnäckig, nein, das wolle er lieber nicht - nach einer Weile kam dann heraus: „Das ist mein Vater, wir reden nicht mehr miteinander.“
Jochen Grabler
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