„Ausländer-Depot“ unter dem Justizpalast

■ Menschenunwürdige Bedingungen in der französischen Abschiebehaft

Paris (taz) – „Er wurde etwas brutal herangenommen. Man hat ihm seine Zigaretten abgenommen. Die Nahrung ist unappetitlich, er mußte sich übergeben. Er hat weder Seife, noch Handtuch oder Zahnbürste.“ Mit diesen knappen Sätzen beschreibt ein vom Pariser Verwaltungsgericht bestellter Experte die Bedingungen, unter denen der Ausländer M.D. seit vier Tagen in Abschiebehaft gehalten wird. Der Ort: der Keller des Pariser Justizpalastes. In diesem Auffanglager können Ausländer ohne gültige Papiere bis zu sieben Tage lang festgehalten werden, bevor sie in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Die Zeitung Liberation veröffentlichte letzte Woche Auszüge aus den Berichten des Experten und der vier Rechtsanwälte, die den Besuch ihres Mandanten unter großen Schwierigkeiten erzwangen. Daraus geht hervor, daß die Zustände in diesem Lager, das auch noch als „Ausländer-Depot“ bezeichnet wird, schlimmer sind als in einem Gefängnis: Boden und Wände des 45 Quadratmeter großen Raumes, der rund 13 Häftlingen Platz bietet, sind „abstoßend dreckig“, schreiben die Anwälte.

Das Essen wird in Konservenbüchsen serviert. Die sanitären Einrichtungen sehen noch übler aus als der Schlafraum und lassen keine Intimität zu; Handtücher und Seife gibt es nicht. Die Anwälte stellten auch fest, daß die Ausländer nur unter großen Schwierigkeiten telefonieren dürfen, was rechtswidrig ist und ihnen ihre Verteidigung außerordentlich erschwert. Persönliche Gegenstände werden ihnen abgenommen. Während also oben, in den holzvertäfelten Sälen des altehrwürdigen Justizpalastes Recht gesprochen wird, zählen Menschen- und Persönlichkeitsrechte in dessen Kellerräumen wenig.

Es ist das erste Mal, daß Rechtsanwälte den Zutritt in einen dieser Räume durchsetzen konnten, wobei sie allein ihren Mandanten sehen und sprechen durften. Gerüchte über die unglaublichen Zustände in diesem Auffanglager gibt es jedoch schon seit längerem. Vor zwei Jahren hatte sich eine Komission des Europarates – das europäische Komitee zur Verhinderung von Folter und unmenschlicher Strafe oder Behandlung – bereits besorgt über die Zustände geäußert – geändert hat sich daraufhin aber offenbar nichts.

Das neue Gesetz zur Beherrschung der Immigration und die vermehrten Identitätskontrollen unter Ausländern haben schon jetzt dazu beigetragen, daß die Polizei mehr „Illegale“ festnimmt als früher. Hinzu kommt, daß die Polizeipräfekturen seit kurzem häufig Druck auf die Richter ausüben, damit diese die Ausländer nicht wie früher vorwiegend zu Hausarrest verpflichten, sondern die Abschiebehaft beschließen. Das Problem ihrer Unterbringung stellt sich daher im ganzen Land. Doch von solch praktischen Problemen wird sich Innenminister Charles Pasqua in seinem Bestreben nach einer „Null-Einwanderung“ nicht bremsen lassen: Er hat die Gelder zur Abschiebung der Unerwünschten bereits um 40 Millionen Francs aufstocken lassen. Bettina Kaps