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Krankenstand im Wald: 65 Prozent

■ BUND legt Zahlen zum Waldsterben vor / Eiche stirbt aus / Ökosteuern und Tempolimit gefordert

Berlin (taz) – Der Wald stirbt nicht, er wird ermordet. Denn daß bereits zwei Drittel der Bäume hierzulande geschädigt sind, ist keine Naturkatastrophe. Hinweise auf die große Trockenheit und auf Schädlinge wie Borkenkäfer dienten allein dazu, von der Verantwortung der Regierung abzulenken, erklärte gestern der Forstwirt Hubert Weinzierl, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Schuld am Baumtod sei allein der Giftcocktail in der Luft; vermehrtes Auftreten von Schädlingen und Sturmschäden seien Folgewirkungen.

Der BUND legte gestern die neuesten Zahlen über die Waldschäden vor. 65 Prozent der Bäume in der Bundesrepublik sind demnach krank, ein Viertel gilt offiziell als stark geschädigt, weist also Nadel- oder Blätterverluste von über 25 Prozent auf. Die Eiche müßte mittlerweile auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten gesetzt werden. Zwar sei der Anteil der geschädigten Bäume im Jahr 1993 gegenüber dem Vorjahr um drei Prozent zurückgegangen. Doch sei diese Tendenz fast ausschließlich auf die von Bayern veröffentlichten Zahlen zurückzuführen. Weinzierl bezweifelte jedoch die Angaben über einen Schadensrückgang von 13 Prozent. In Bayern sei der Wald das „erste Wahlkampfopfer“. Dem bayerischen Landwirtschafts- und Forstministerium zufolge ist die Gesundung des Waldes dem verregneten Sommer zu danken. Die ebenfalls gut beregneten Nachbarländer Das angrenzende Baden-Württemberg und auch Tschechien wurden ähnlich gut beregnet, aber weisen einen Anstieg bei den Baumschäden auf.

Auch die Zählweise der Statistiker führt zu einem scheinbaren Rückgang der Schädigungen. Wo kein Wald mehr ist, gibt es keine Waldschäden. Wegen starker Schäden gerodete Waldflächen fallen schlicht aus der Rechnung heraus. Im Ruhrgebiet sind BUND-Angaben zufolge schon über 40.000 Hektar Wald gerodet.

Forstpolitik läßt sich von der Verkehrs- und Energiepolitik nicht trennen. Nicht Käfer und Schwammspinner, sondern vor allem das Auto sei der Hauptfeind der Wälder, so Weinzierl. Eine drastische Erhöhung der Mineralölsteuer, ein allgemeines Tempolimit, die Einführung einer Energiesteuer und einer Stickstoffsteuer seien daher notwendig. Da sich in den letzten Jahren gezeigt habe, daß auch die hohen Ammoniakemissionen aus Gülle wesentlich zum Waldsterben beitragen, müsse die Massentierhaltung eingeschränkt werden.

Zudem fordert der BUND, daß die Waldbesitzer Entschädigungen vom Staat erhalten sollen. Auf die Klage von mehreren Waldbesitzern hin habe der Bundesgerichtshof bereits ein entsprechendes Entschädigungsgesetz gefordert. Nur wenn der Staat zur Kasse gebeten werde, würde die Politik einschreiten. Die Maßnahmen der Bundesregierung dienen bisher vor allem dem Schönreden. Seit 1991 weist der Wald offiziell keine Schäden mehr auf, sondern einen Zustand: Waldzustandsbericht heißt jetzt, was früher Waldschadensbericht hieß.

Das Waldsterben ist keine deutsche Katastrophe. Die vom BUND zusammengetragenen Zahlen belegen, daß es in Polen mit 92 und Großbritannien mit 95 Prozent geschädigten Bäumen noch schlimmer aussieht. lieb Kommentar Seite 10

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