: Tafel für Biermann
■ Am 17. Jahrestag der Ausweisung des DDR-Kritikers demonstrierten Bürgerrchtler vor Biermanns alter Wohnung
Vor 17 Jahren wurde dem Künstler Wolf Biermann „das Recht auf weiteren Aufenthalt in der DDR“ entzogen. Wie das Neue Deutschland am 16. November 1976 vermeldete, geschah dies „wegen grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten“. 17 Jahre später kämpft Biermann um das kaum gerichtlich einklagbare Recht auf seinen angestammten Wohnsitz in der Chausseestraße 131. Um zumindest seinen politisch-moralischen Anspruch auf dieses Domizil zu unterstreichen, haben am Dienstag Abgeordnete des Bündnis 90/Grüne aus Bundestag und Abgeordnetenhaus eine Gedenktafel an dem Eckhaus am Oranienburger Tor angebracht, auf der an Biermanns Ausweisung erinnert wird.
Die Tafel enthält einen vergrößerten Ausschnitt aus dem damaligen Neuen Deutschland mit dem Politbürobeschluß vom 14. November 1976. Demzufolge hatte der Liedermacher „mit seinem feindseligen Auftreten gegenüber der DDR sich selbst den Boden für die weitere Gewährung der Staatsbürgerschaft der DDR entzogen. Sein persönliches Eigentum wird ihm – soweit es sich in der DDR befindet – zugestellt.“
Mit ihrer Aktion wollen die Bürgerrechtler, wie der Abgeordnete Christian Pulz erklärte, „in unserem Volk ein ausgeprägtes Gefühl für die Notwendigkeit der Aufarbeitung der DDR und die Rolle des Widerstandes darin“ entstehen lassen. Von dieser Wohnung, so Pulz' Kollegin Anette Detering, sei „Wirkung auf die deutsche Geschichte ausgegangen“. Deshalb planen Biermanns Freunde in den vier Räumen ein Museum des Widerstandes – wofür sie allerdings noch nicht dessen Einverständnis haben.
Zwar beteuerte Pulz, daß es ihnen nicht „um den Rausschmiß irgendeines PDS-Funktionärs“ ginge, doch der derzeitige Mieter, PDS-Sprecher Hanno Hanisch, verteidigte am Dienstag erneut seine Ansprüche und verwahrte sich gegen die Unterstellung einer „Stasi-SED-Verquickung“. Er habe die Wohnung ohne Beziehung erhalten. Daß er sie behält, dessen ist sich die Wohnungsbaugesellschaft Mitte sicher. Sie hat in einem geharnischten Schreiben an Biermanns Anwalt, den CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns, dessen Ansprüche zurückgewiesen. Diese seien rechtlich unzulässig und zudem kein Beitrag zur Herstellung der inneren Einheit Deutschlands. Die Biermann-Unterstützer verlangen nun vom Senat ein „starkes und phantasievolles Engagement für die aus dem SED-Staat vertriebenen Bürgerrechtler und Künstler“. Er solle die Betroffenen einladen, wieder hier zu wohnen. dr
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