: Rechte "Geburtstagsfeier"
■ Neonazis griffen in Prenzlauer Berg Anwohner und Demonstranten an / Polizei erteilte "Platzverweis"
Zwischen 40 und 50 Neonazis haben am Mittwoch abend gegen 22 Uhr in der Lychener Straße im Bezirk Prenzlauer Berg mehrere Anwohner und Gegendemonstranten angegriffen und zum Teil verletzt. Dies berichteten gegenüber der taz übereinstimmend mehrere Augenzeugen. Die Polizei, die bereits anderthalb Stunden vorher von Anwohnern auf eine Versammlung der Neonazis in der ebenfalls in der Lychener Straße gelegenen Gaststätte „Zum letzten Versuch“ aufmerksam gemacht wurde, sei erst eingetroffen, als die Anwohner von den Angreifern bereits auf das Gelände eines ehemals besetzten Hauses gedrängt worden waren. Von den Neonazis sei niemand festgenommen worden.
Bereits gegen 20 Uhr hätten sich, so ein Anwohner, mehrere Fahrzeuge mit Schweriner, Zossener, Luckauer und anderen Kennzeichen vor der Gaststätte in der Lychener Straße eingefunden. Kurz darauf hätten „mehrere Neonazis, unter ihnen Skinheads, aber auch Männer mit dunklen Anzügen“, die Bewohner des Hauses Lychener Straße 64 vor dem Hauseingang mit „Heil Hitler!“ gegrüßt und belästigt. Aus dem Inneren der Gaststätte seien immer wieder Rufe wie „Juden vergasen“ oder „Sieg Heil!“ zu vernehmen gewesen. Ein anderer Anwohner erklärte gegenüber der taz, er habe bereits um 20.30 Uhr die Vorfälle bei der Polizei angezeigt. Dort habe man ihm lediglich mitgeteilt, daß man von dem Vorfall bereits Kenntnis habe. Kurz vor 22 Uhr seien dann die Neonazis aus der Gaststätte herausgestürmt und hätten die inzwischen auf 50 Personen angewachsene Gruppe der Gegendemonstranten mit Leuchtspurmunition, Gaspistolen und Pflastersteinen angegriffen. Mindestens eine Person hätte wegen einer Kopfverletzung ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
Die Pressestelle der Polizei bestätigte gestern zwar den Eingang einer Anzeige sowie den Einsatz gegen 22 Uhr. Offen blieb jedoch, warum die Polizei, die mit etwa 100 Beamten im Einsatz gewesen sein soll, nicht bereits nach dem Eingang der Anzeige vor der Gaststätte eintraf. Daß es auf seiten der Neonazis keine Festnahmen gab, begründete die Polizeipressestelle damit, daß man eine weitere Eskalation der beiden Gruppen verhindern wollte. Aus diesem Grund habe man gegenüber beiden Gruppen einen „Platzverweis“ ausgesprochen. Die Neonazis, die von der Polizei als „Anhänger des ehemaligen BFC Dynamo“ bezeichnet wurden, seien daraufhin in ihre PKWs gestiegen und weggefahren.
Der Inhaber der Gaststätte „Zum letzten Versuch“, Jörg Riedel, bezeichnete gegenüber der taz die Versammlung als „eine Geburtstagsfete von Fußballfans“. Im übrigen könne er sich nicht vorstellen, daß einer von denen „Sieg Heil!“ gerufen habe. Die Aussage eines Anwohners, wonach er Kontakte zur Zuhälterszene habe und sich Freier in seiner Kneipe über Video Prostituierte aussuchen könnten, wies er zurück. Uwe Rada
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