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Den dortigen Patrioten auf den Leim gegangen

■ betr.: „Albanien fürchtet einen Krieg im Kosovo“, taz vom 6.11.93

Die taz ist eine merkwürdige Zeitung. Sie erklärt sich zur Gegnerin des nationalistischen Größenwahns und druckt andererseits ungeniert ethnozentrische Ansichten ab. So jüngst mal wieder geschehen durch Erich Rathfelder, der auf seiner Albanienreise offensichtlich den dortigen Patrioten auf den Leim gegangen ist.

Zunächst verwundert eine Karte, die das „Siedlungsgebiet der Albaner“ darzustellen vorgibt, jedoch eher expansionistischen Wunschvorstellungen entsprungen sein dürfte. Statt eine Differenzierung zwischen Gebieten, in denen Albaner eine Mehrheit bilden, und solchen, in denen sie eine Minderheit darstellen vorzunehmen, wird das ganze Gebiet als albanisch deklariert, selbst wenn der Anteil der Albaner an der Bevölkerung unter zehn Prozent beträgt. Makedonien beispielsweise erscheint so zu zirka 60 Prozent albanisch besiedelt, während sie in Wirklichkeit nur in einem kleinen Grenzgebiet im Nordwesten eine Mehrheit bilden. Solcherlei Kartenwerk erinnert an „Maaß bis Memel“-Darstellungen.

Rathfelder untermauert dieses Zerrbild mit falschen Zahlen. In Montenegro sind nicht „knapp unter zehn Prozent“ Albaner, sondern 6,6 Prozent (40.880 Personen), in Makedonien gibt es keine „750.000 Albaner, die dort über 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen“, sondern 427.313 Albaner, 21 Prozent der Bevölkerung. Selbst wenn man den Ergebnissen der letzten jugoslawischen Volxzählung mißtraut, obwohl diese ansonsten als durchaus glaubwürdig gelten, scheinen Rathfelders Zahlen immer noch maßlos überhöht.

Besonders absurd wirkt dann auch die Forderung, die „albanischen Gebiete“ sollten „wie Deutschland wiedervereinigt“ werden, eine Vorstellung, die Rathfelder als anscheinend vollkommen legitim darstellt, der nur das Beharren der Nachbarstaaten auf ihr Staatsgebiet im Wege stünde und daß die albanischen Nationalisten diese Forderung nur zurückgestellt hätten, weil sie zu dem weisen Entschluß gekommen sind, „nicht noch mehr Öl in das Feuer der Kriegsgefahr zu gießen“. Rathfelder hat jedoch vergessen, daß es bei dieser „Wiedervereinigung“ nicht um Mecklenburg-Vorpommern geht, sondern um eine Region des Balkans, in der ein einzigartiges Gemisch aus ethnischen Gruppen vorherrscht. Allein in Makedonien leben in den angeblich „albanischen Gebieten“ slawische Makedonier, Albaner, Türken, Roma, Serben und viele andere. Auch in Montenegro und Griechenland gibt es die rein albanischen Gebiete nicht.

In der Region finden sich in fast jeder ethnischen Gruppe ein paar Spinner, die eine verstaubte historische oder ethnografische Karte ausgraben, derzufolge ihrer „Nation“ der halbe Balkan zusteht. Die möglichen Folgen erleben wir derzeit in Bosnien. Wer die Forderungen einer Seite auf einen ethnisch „korrekten“ Nationalstaat unkritisch übernimmt, offenbart eine gefährliche Naivität und scheint der Rolle des Balkankorrespondenten nicht gewachsen. Malte Fuhrmann, Berlin

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