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Nigerias Militär spielt die letzte Karte: Putsch

■ Armeechef setzt Präsidenten ab / 82 Tage nach Amtsantritt der ersten Zivilregierung

Johannesburg (taz) – Nur 82 Tage nach dem Amtsantritt der ersten zivilen Regierung Nigerias seit zehn Jahren hat das Militär in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat wieder die Macht ergriffen. Sani Abacha, Armeechef und Verteidigungsminister, setzte am späten Mittwoch abend Interimspräsident Ernest Shonekan ab und übernahm selbst die Funktionen des Staats- und Regierungschefs.

Der Putsch geschah offenbar mit dem Einverständnis des abgesetzten Präsidenten, der über das staatliche Fernsehen seinen „Rücktritt“ verkünden ließ. „Angesichts der jüngsten Ereignisse und nach Betrachtung der Tatsachen habe ich keine Alternative zu dem würdigen und ehrbaren Schritt, mit sofortiger Wirkung zurückzutreten“, hieß es.

Shonekan hatte am 26. August sein Amt übernommen, nachdem der langjährige Militärdiktator Ibrahim Babangida die freien Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni dieses Jahres abgesagt, Anhänger des vermutlichen Wahlsiegers Moshood Abiola inhaftiert und den versprochenen Übergang zur Demokratie eingefroren hatte. Shonekan, ein Geschäftsmann ohne eigene politische Basis, sollte Neuwahlen im Februar 1994 vorbereiten und Wirtschaftsreformen durchführen. Schon lange wurde spekuliert, daß Verteidigungsminister Abacha der starke Mann hinter dem neuen Regime war.

Seit der Annullierung der Wahlen ist es vor allem im bevölkerungsreichen Südwesten, Heimat des verhinderten Wahlsiegers Abiola, immer wieder zu Unruhen gekommen. Zuletzt hatte Shonekan am 10. November eine Schlappe erlitten, als das Hohe Gericht von Lagos einer Klage Abiolas stattgab und die Shonekan-Regierung für „illegal“ erklärte, da sie nicht auf demokratischem Wege an die Macht geraten sei. Daraufhin waren Abiolas Anhänger jubelnd durch Lagos gezogen. Wenig später löste die Regierung alle Kommunalverwaltungen – die einzige demokratisch gewählte Institution Nigerias – auf. Ende letzter Woche verkündete die Regierung eine 600prozentige Benzinpreiserhöhung, was zu Massenprotesten führte. Seit Montag herrscht ein Generalstreik, der sich am Mittwoch von der südwestlichen Region um Lagos auf Provinzen im Osten und Norden ausdehnte.

In seiner Rücktrittserklärung verweist Shonekan auf eine Besprechung mit der Armeespitze am Mittwoch, bei der die Militärs „ernsthafte Sorge über die allgemeine Unsicherheit im Land“ geäußert haben sollen. Außerdem habe es „Unmut in den unteren Rängen des Militärs“ gegeben.

Was der neue Machthaber Abacha machen wird, hängt davon ab, ob er eine Verständigung mit den beiden zugelassenen politischen Parteien NRC und SDP sucht, die beide über die Annullierung der Wahlen erbost sind. Der 50jährige Abacha nahm schon am Militärputsch von 1983 teil und stieg unter Diktator Babangida weiter auf. Nach dem Rücktritt Babangidas im August fing Abacha an, seine Basis im Militär zu erweitern: Er wandte sich gegen die „Politisierung“ der Armee und versetzte 36 hohe Babangida-treue Offiziere in den Ruhestand. Beobachter halten seine Machtergreifung für einen Versuch, den durch diese „Säuberungen“ entstandenen Unmut im Militär einzudämmen.

Ob Abacha die Wahlergebnisse anerkennt oder selber an der Macht bleibt, ist offen. Möglich wäre, daß der neue Herrscher sich mit Teilen der politischen Parteien unter Umgehung Moshood Abiolas verständigt und eine Regierung der Nationalen Einheit anstrebt, wie sie viele Politiker nach der Annullierung der Wahlen im Juni gefordert hatten. Möglich ist aber auch, daß er angesichts der Unruhe im Land erst einmal hart zuschlägt. Dominic Johnson

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