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Comic-strip-Oper

■ New Opera Box zeigt Andrew Tooveys „Ubu“-Oper

Selbstverständlich war die Uraufführung des Theaterstücks 1896 ein Skandal. Nicht umsonst begann der Text mit dem Unaussprechlichen: „Merde!“, zu deutsch: „Scheiße!“, so grüßte Ubu Roi das Pariser Publikum. Bis dato, so will es die Legende, war dieses Wort noch nie auf einer französischen Bühne gefallen. Alfred Jarry kompensierte gewissermaßen Jahrhunderte, denn „Scheiße“ ist nicht nur das erste, sondern auch das meistbenutzte Wort seines grotesken Dramas König Ubu - dicht gefolgt von Dreckschwein, Furz und Truthahnsteiße.

Der Text, so betont der junge englische Komponist Andrew Toovey, habe bei der Komposition seiner Kammeroper Ubu stets im Vordergrund gestanden. Das Libretto steht folglich Jarrys Drama an Derbheit nichts nach - im Gegenteil, es ist so von „shit!“ durchzogen, daß sich Regisseurin Isabelle McEwen entschloß, einen Gutteil der four-letter-words wieder herauszustreichen. „Permanente Fäkaliensprache ist langweilig und verliert, was Jarrys Text eben auszeichnet: Leichtigkeit. Und genau die wollte ich haben.“ Für die deutsche Erstaufführung von Ubu hat die in Hamburg lebende Kanadierin eine Übersetzung angefertigt, die zwischen englischer und deutscher Sprache springt. „Das dramaturgische Ziel war bessere Verständlichkeit - aber genauso wichtig ist mir das Spiel mit den Sprachen.“ Die chaotische Oper werde dadurch noch chaotischer, sagt die 40jährige und meint das durchaus positiv: „Chaos ist doch das einzige, was man dem Totalitarismus entgegensetzen kann.“

Totalitär ist die Herrschaft König Ubus, der dumm-dreisten Bestie, von der das Volk sich leider nicht unterscheidet: Alle Menschen sind Allesfresser, nur in verschiedenen Ausführungen. Für McEwen ist Ubu trotzdem eine „richtige Komödie“, und deshalb schätzt sie auch Tooveys Umgang mit dem Stoff. „Comicstrip-Musical im kinematographischen Stil“ nennt sie seine Oper und bezieht sich auf den schnellen Wechsel der Szenen, Tempi und musikalischen Stile. Fast wie in einer Nummern-Revue folgt Minimal Music auf Broadway-Melodie, abgelöst von Operette oder japanisch inspirierten Klängen. Der ironische Ritt durch die Musikgeschichte stellt hohe Anforderungen an das kleine Orchester und die sieben Sänger aus vier Ländern: Besonders Tooveys Liebe der Extreme und Gegensätze fordert die Stimmbänder. Die Orchestrierung überrascht durch starke Bläser und verhaltene Streicher. „Alles, was in der traditionellen Oper groß ist, ist hier klein“, sagt Isabelle McEwen fast mit Genugtuung. Die musikalische Leitung liegt bei Arne Willimczik; Bühne und Kostüme hat sich die freundliche Kanadierin nicht aus der Hand nehmen lassen. Knallige Farben und große Flächen unterstreichen ihre Liebe zum Comic, wobei der Gesamteindruck der Ausstattung eher bei Ikea-Kinderzimmern liegt.

War Jarrys Ubu Roi eine sprachliche Zumutung für den guten Geschmack, so ist Tooveys Ubu eine musikalische Zumutung für das wohlerzogene Ohr. Diese Zumutung ist bei Isabelle McEwen Konzept: 1988 gründete sie die New Opera Box, um neue Werke zeitgenössischer Komponisten zu präsentieren. Ubu, die dritte Produktion der N.O.B., wurde von der Kulturbehörde mit 67.000 Mark gefördert - ein neues Projekt kann nur folgen, sofern die Gruppe erneut einen Zuschuß erhält. „Das Problem ist“, bemerkt Isabelle ganz nüchtern, „daß viele Leute denken, mit Beethoven sei alles vorbei - sich aber nicht ins Grab legen.“

Christiane Kühl

opera stabile, 21., 23., 25., 27., 28., 30. November, 20 Uhr

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