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Altona: Sodom und Gomorrha der Wohnunfähigen

■ Tummelplatz der Hemmungslosen? / Echternach und die Endzeitstimmung

Sodom und Gomorrha mitten in Hamburg: „Altona und Ottensen versinken im Chaos. Fußgängerzonen und Parks quellen über vor Müll, Häuser verkommen, Punker und Autonome schaffen sich ihr eigenes Reich.“ Und zu viele Asylbewerber und Sozialprojekte gäbe es auch. So die apokalyptische Impression des Hamburger Ex-CDU-Chefs Jürgen Echternachs, der sich gestern vor Journalisten erfolgreich um anschauliche Bilder bemühte.

Beispiel eins: Zu viele Asylbewerber in den Neumühlener Wohnschiffen „sorgen in der Ottenser Hauptstraße für erhebliche Spannungen“. Die Geschäftsleute klagten über die zunehmende Zahl von Diebstählen: „Vielfach weisen die Spuren zu den Asylbewerbern“, weiß Detektiv Echternach. Sein Vorschlag: Die Schiffe entweder im gesamten Hafen verteilen oder ganz abschaffen. Von Versenken sprach er allerdings nicht.

Beispiel zwei: Altona entwickele sich zum „Zentrum der autonomen Bewegung“. Projekte wie Hafen- und Klausstraße „reklamieren für sich befreite Gebiete“. Und die Rote Flora sei auch „ein Zentrum bestimmter radikaler Kräfte“. Vorschlag: Anarchos raus, Kindertagesstätte rein.

Beispiel drei: Die Bauwagensiedlung in der Gaußstraße, so Echternach, die vom Bezirksamt von dem „sogenannten Atatürk-Platz dorthin umgesiedelt wurde“. (Anmerkung: Atatürk hieß zwar auch Kemal, sprang aber unseres Wissens nicht aus Angst vor Abschiebung aus einem Fenster). Diese Kolonien, sekundierte der Ottenser CDU-Politiker Andreas Grutzack, verliehen Altona bundesweit den Ruf, hier gäbe es Möglichkeiten, „sich hemmungslos zu tummeln“. Ein verträgliches Miteinander mit diesen „wohnunfähigen Menschen“, so Grutzack, sei in der Regel nicht möglich. Sein Vorschlag: Auflösen und rein in betreute Kleingruppen.

Beispiel vier: Punker, die mit Hunden und lautstarken Konzerten Geschäftsleute und Anwohner terrorisieren. Lösung: Bettler und Punx mit mehr Polizei „über die Stadt verteilen“. Und dann noch das „kränkelnde Herz Altonas“: das verödete Einkaufszentrum Große Bergstraße. Mangelhafte Verkehrsanbindung, Parkplatzprobleme und fehlende Investitionen sorgten dafür, daß sich dort nur noch Menschen mit „begrenzter Kaufkraft“ versorgen.

Die Altonaer Bevölkerung weiß Echternach hinter sich. Der Beweis: In einer Briefaktion habe man 14.000 Bürger nach ihren Ansichten befragt. Und die teilen weitgehend die Kritik der Christdemokraten – die 26, die auf die Briefe geantwortet haben. Immerhin.

Sannah Koch

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