: Klöckner Will Rock You
■ Wer Ohren hat zum hören, der versammle sich in der Klangwerkstatt im Westend
Hören Sie Ihrer Straßenbahn überhaupt noch richtig zu? Wie sie pfeift, quietscht, ächzt und krächzt. Tun Sie's – und irgendwann wird Ihnen eine Art Dauer-Testbild-Ton im Ohr hängen bleiben und Sie sind auf dem richtigen Weg. Sagt Peter Apel von der Klangwerkstatt. „Der Lärm muß uns bewußt werden. Man kann ja mittlerweile wirklich von Lärmverschmutzung sprechen.“ Eine Ökogruppe sei die Werkstatt darum nun aber nicht: „Wir arbeiten künstlerisch damit.“
Einmal die Woche tragen die Hörenden unseren ganz normalen Alltagslärm in die Offene Klangwerkstatt im Kulturzentrum Westend. Sie nehmen Geräusche auf Tonband auf, mischen sie und gelangen in der Werkstatt „Vom Lärm zur Musik“ – wie im Kursheft des Westends zu lesen ist. „Das geht aber mehr in Richtung Hörspiel, denn zum Songwriting“, meint Kursleiter Peter Apel. „Die Leute, die hierher kommen, sind musikalisch interessiert und basteln sowieso zu Hause herum.“
Was die KursteilnehmerInnen in der Klangwerkstatt machen, umschreibt Apel mit dem hübschen Wort Akustikdesign. Dazu braucht man als Rohmaterial: O-Töne und Geräusche. Die gibt es zuhauf in der Welt, und aus der greifen sich die Klangwerkler verschiedene Themen heraus. Mensch Maschine hieß der letzte. Die KursteilnehmerInnen gingen auf „Betriebsbehörigungen“, lauschten bei Klöckner, hörten sich in einer kleinen Neustädter Druckwerkstatt um und im großen Kaufhaus.
"Das sind dann so richtige Hörwanderungen“, erklärt Apel. „Wir schweifen mit unseren Mikrophone durch die Hallen oder nehmen längere Geräuschsequenzen vor einer Maschine etwa auf.“
Zurück in der Klangwerkstatt wird collagiert. Die Leute hören sich ihre Bänder an, schneiden und improvisieren dann, um als Endprodukt wieder eine Kassette zu haben. Apel spricht von „Schichtungsprozeß“: Es wird zusammengefügt, was zusammen gehört wurde oder jedwelche Assoziation ausgelöst hat. Eine Blechwerkzeugschneidemaschine bei Klöckner hämmerte im Queen- Rhythmus: We will rock you tönt's durch den Fabriklärm. Dazu lesen die Künstler Zitate aus der Werkszeitung, dem Klöckner Boten.
Wo befinden wir uns nun? Schon in der Musik oder noch im Lärm? „Natürlich ist es Musik im zeitgenössischen Sinn“, meint Peter Apel. „Ich würde sagen, es ist eine Klangcollage, die Atmosphäre schafft. Die Geräusche sind ja vorhanden, sie müssen nur an uns herankommen.“ Das Ohr ist laut Apel das Stiefkind der Sensorik. Es kann nicht zugemacht werden, hört also permanent und schützt sich durch selektive Wahrnehmung. Die Klangkünstler aber wollen alles hören. „Man muß sich eine Art Weitwinkelhören angewöhnen. Man kann ganz viel Weitwinkelhören, ohne daß es irritiert.“
Bei jeder Klanginstallationen der Werkstatt gibt es auch etwas zu sehen. Denn jede Ausstellung braucht so ihre visuellen Anreize. Madonna, beim Besuch der Aucoop-Schiffswerft aus dem Äther trällernd, wurde in drei aufgerissenen, von der Decke baumelnden Lautsprechern und einer blutenden Blechdose verbildlicht. Doch in der Klangwerkstatt ist noch vieles mehr möglich. Peter Apel denkt an eine Zusammenarbeit mit Chören, TänzerInnen, an eine eigene Sendung im Offenen Radio, an Konzerte und an sein Jugend lärmt-Orchester. Silvia Plahl
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