: SFB-Rechter: Schluß mit deutscher „Dauerschuld“
■ Ansgar Graw ist der kleine Heitmann in der Pressestelle des Senders Freies Berlin / Der Jungkonservative publiziert in der Rechtsaußen-Zeitschrift „Mut“
Etwas schummrig war es ja schon, was der neue Redakteur der SFB-Pressestelle Ansgar Graw (32) da im Frühjahr von seiner bisherigen Karriere erzählte: Volontariat beim Ostpreußenblatt, Arbeit in einem kleinen Nachrichtenbüro für das Baltikum, später Redakteur bei dem inzwischen eingestellten Ost-Revolverblatt Super- Zeitung aus dem Hause Burda, dann SFB. Na gut: nur konsequent, daß sich Intendant Günther von Lojewski, der ja der CSU äußerst nahesteht, einen strammen Jung- Konservativen in seine Pressstelle holt.
Monate später. Lektüre des linken Hamburger Magazins Konkret, Nummer 10/93. In einem Artikel des Journalisten Otto Köhler über das „tiefbraune Programm des Ullstein/Propyläen-Verlags“ taucht der Name Ansgar Graw wieder auf: Der SFB-Redakteur sei nicht nur im Ullstein/Propyläen-Buch „Westbindung“ mit einem Aufsatz zum Historikerstreit präsent, sondern schreibe auch für die Rechtsaußen-Zeitschrift Mut. Mit einer elogenhaften Rezension von Weißmanns Ullstein-Buch „Rückruf in die Geschichte“ in Mut (10/92), so Köhler, habe sich Graw für einen Essay in dem von Weißmann mit herausgegebenen Band „Westbindung“ qualifiziert.
Graw seinerseits hatte in seiner Rezension das Weißmann-Buch, ein Plädoyer für deutsche „Normalität“, jubelnd als „Marschgepäck für die Zukunft“ und „Kampfansage gegen die Meinungseliten“ gepriesen.
Mut, die Zeitschrift, für die der SFB-Pressemann schreibt, wurde 1967 als rechtsextremistisches Sprachrohr der Jungen Nationaldemokraten, der Wikingjugend und des Bundes heimattreuer Jugend gegründet. Es wurde bis 1983 als verfassungswidrig eingestuft. Nach der Anwerbung renommierter Konservativer und rechter Sozialdemokraten als Autoren wirkt das Blatt zwar oberflächlich betrachtet liberaler. Doch Rechtsradikale und Altrechte schreiben weiter in der Monatszeitschrift, die die „organisatorische Klammer zwischen Bürgern und Radikalen“ bildet, wie Astrid Lange in ihrem Buch „Was die Rechten lesen“ anmerkt. Die „Scharnier- und Brückenfunktion der Neuen Rechten“ trete nirgendwo so deutlich zu Tage wie am Beispiel der Zeitschrift Mut.
Und was schreibt Graw im Ullstein-Band „Westbindung“? Das, was man erwarten darf bei einem Verlag, dessen Cheflektor Rainer Zitelmann ein revisionistischer Historiker ist und dessen Geschäftsführer Herbert Fleissner ein engagierter Rechtsextremist, der immer schon Nazi-Literatur verlegte. (Zitelmann soll übrigens ab 1. Januar 1994 verantwortlicher Redakteur der Welt-Feuilletonbeilage „Geistige Welt“ werden).
SFB-Redakteur Graw geht in seinem Aufsatz nicht auf die „historischen Argumente“ des Historikerstreits ein. Nein, er nimmt zwei Exponenten der Auseinandersetzung von links (Jürgen Habermas) und rechts (Michael Stürmer) her und wirft beiden vor, einen „wiedervereinigten deutschen Nationalstaat“ stets abgelehnt zu haben. Außerdem haben sich für Graws Geschmack sowohl Habermas als auch Stürmer allzu euphorisch „zum Westen“ bekannt.
Graw wettert gegen den Habermasschen „Verfassungspatriotismus“, gegen „universalistisch-multikulturelle“ oder „nebulös-sozialistische Utopien“ und die „Kollektivscham“. Während Habermas den BRD-Bürgern einen „negativen Nationalismus“ habe verpassen wollen – so Graw –, habe Michael Stürmer „das Provisorium Bundesrepublik durch eine positive Identifikation mit ihm zementieren wollen“.
Einen Unterschied macht der Jungrechte dann aber doch: Habermas habe das „dunkle Erbe des Nationalsozialismus volkspädagogisch instrumentalisieren“ wollen. Stürmer habe sich immerhin um „eine distanziertere, historisierende Betrachtung des Dritten Reiches“ bemüht.
Der SFB-Pressemann selbst plädiert am Ende seines Aufsatzes dafür, „nationale Identität“ nicht zu „überwinden“, sondern zu „rekonstruieren“. Graw wörtlich: „Wer das deutsche Kollektiv der Gegenwart hingegen durch eine einseitige Instrumentalisierung der Vergangenheit in ,Dauerscham‘ und damit letztendlich ,Dauerschuld' zu halten versucht, will eine solche Normalisierung im Umgang der Deutschen mit ihrem Deutschsein verhindern.“
Das Bewußtsein der nationalsozialistischen Verbrechen, so zieht Graw soft den Schlußstrich, müsse „seine sinnstiftende Kraft verlieren und von neueren, damit bedeutsameren Momenten der Erinnerung – positiver wie negativer Art – abgelöst werden“. Hans-Hermann Kotte
Siehe auch Bericht auf der Medienseite 33
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