: Organspenden aus Leiden
■ Vom niederländischen „Eurotransplant“ erhoffen sich 12.000 Menschen Hilfe
Wenn in der Abteilung mit dem schönen Namen „Eurotransplant“ im Universitätsklinikum Leiden das Telefon klingelt, kommen die Mitarbeiter in den meisten Fällen ins Rotieren. In dem niederländischen Institut laufen die Fäden von etwa 130 Transplantationszentren in Belgien, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden und Österreich zusammen: In dem Zentralcomputer in Leiden sind 12.000 Namen nach Blutgruppen, Dringlichkeit und Gewebetyp gespeichert. Dahinter verbergen sich Menschen, die auf eine Niere, ein Herz, eine Lunge oder eine Leber warten. Und das oft lange: Die durchschnittliche Wartezeit beträgt zweieinhalb Jahre.
Das gemeinnützige Institut sorgt seit 1967 dafür, daß für das knappe Angebot an gespendeten Organen geeignete Empfänger gefunden werden. Und das ist nicht so einfach. Bei jeder Meldung eines verfügbaren Organs macht sich der Computer auf die Suche nach einem „kompatiblen“ Patienten: Nicht nur die gleiche Blutgruppe, sondern auch eine weitgehende Übereinstimmung des Gewebetyps der Körperzellen ist Voraussetzung, um eine problemlose Verpflanzung eines Organs zu gewährleisten. Wenn das Immunsystem des Empfängers das Organ als fremd erkennt, wird es vom Körper abgestoßen. In einigen Fällen findet Eurotransplant im gesamten Einzugsbereich der fünf Länder mit 110 Millionen Einwohnern keinen passenden Empfänger für ein gespendetes Organ. Dann wird das Organ vergleichbaren Zentren in England, Skandinavien oder Frankreich angeboten. Diese arbeiten nach dem gleichen Prinzip, sind allerdings national begrenzt. 70 Mitarbeiter sind in Leiden rund um die Uhr damit beschäftigt, den Transport von Organen von einem Krankenhaus ins andere zu organisieren. In den meisten Fällen drängt die Zeit. Insbesondere Herz und Leber überleben nur wenige Stunden außerhalb des menschlichen Körpers. Nieren können notfalls immerhin bis zu zwei Tagen konserviert werden, bevor sie implantiert werden.
Im vergangenen Jahr wurden über das Leidener Zentrum etwa 3.000 Nieren, 850 Herzen, 760 Lebern und 120 Lungen vermittelt. Auch wenn die Anzahl der gespendeten Organe leicht ansteigt, ist der Bedarf ungleich höher. Die Arbeit von Eurotransplant geht deshalb über das bloße Vermitteln von Organen hinaus: Mit einem eintägigen Trainingsprogramm schult das Zentrum Ärzte und Krankenschwestern im Umgang mit hinterbliebenen Verwandten. Ihnen soll vermittelt werden, inwieweit eine „sensible Bitte um ein Spenderorgan“ auch den Hinterbliebenen, die einen geliebten Menschen verloren haben, Trost bieten kann.
Finanziert wird das Institut in Leiden von den Krankenkassen der angeschlossenen Länder; Organankauf und -verkauf gegen Bares findet nicht statt. Jeannette Goddar, Amsterdam
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