: Schnelles Ende im Wagner-Prozeß
Bundesanwaltschaft plädierte überraschend im Prozeß zum Sprengstoffanschlag gegen Nato-General Haig / Lebenslang für Rolf Clemens Wagner gefordert / Urteil am Mittwoch ■ Von Heide Platen
Frankfurt (taz) – Die Verblüffung war selbst Bundesanwalt Hans Peter Bell anzumerken. Er plädierte dann gestern Vormittag vor dem 4. Strafsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts aus dem Stand. Überraschend schnell hatte Vorsitzender Richter Adam die Beweisaufnahme im Prozeß gegen den 49jährigen Rolf Clemens Wagner für beendet erklärt. Bell foderte eine lebenslängliche Haftstrafe wegen dreifachen versuchten Mordes bei einem Sprengstoffanschlag auf den Nato-Generalsekretär Alexander Haig im Juni 1979 im belgischen Obourg.
Er argumentierte unvorbereitet, kurz und holprig. Heraus kam dabei ein Credo, das sich, wie in anderen Neuauflagen alter RAF- Prozesse auch, nicht nachsagen lassen will, es sei von Vergeltungsbedürfnis bestimmt. In „unserer schnellebigen Zeit“ sei die vor 15 Jahren begangene Tat keine, über die „das Gras wachsen“ und die „dem Vergessen anheimfallen“ dürfe. „Gegen den Trend“ sei seine Behörde „gezwungen, die Erinnerung wachzuhalten“, selbst wenn das „nach außen hin den Anschein hat, daß das Ergebnis sehr wenig zur Bewältigung beiträgt“.
Bell, der sein Interesse an der „Aufarbeitung der Vergangenheit“ bekundete, begründete seinen Antrag damit, daß Wagner, der bereits wegen der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer im Herbst 1977 zu lebenslanger Haft und in der Schweiz wegen Bankraub verurteilt ist, „seine Chance“ in diesem neuen Verfahren nicht genutzt habe. Auch er hätte, wie vor allem in den Prozessen gegen RAF-Aussteiger aus der ehemaligen DDR in den letzten zwei Jahren mehr oder weniger praktiziert, „Vergünstigungen“ erlangen können, wenn er „sich seiner Vergangenheit gestellt“, wenn er also ebenfalls ausgesagt hätte. Er rügte das Bundesverfassungsgericht, das im Sommer 1992 „Lebenslang ja faktisch abgeschafft“ habe. Dadurch sei seine Behörde gezwungen, „so viele straferschwerende Fakten zu sammeln.“
Bell wertete den Hauptbelastungszeugen Werner Lotze als glaubwürdig. Lotze, inzwischen zu zwölf Jahren Haft verurteilt, hatte sich selbst schwer belastet und weiter ausgesagt, Wagner habe den Sprengsatz gezündet, der den Wagen des Nato-Generals und ein nachfolgendes Auto schwer beschädigt hatte. Auch die Schilderungen anderer RAF-Aussteiger hätten sich, ergänzt mit „Ermittlungsergebnissen im nachhinein“, „zu einem harmonischen Bild gefügt“. Darum habe es auch keiner weiteren „objektiven“ Beweismittel bedurft. Daß die Tat „kein Erfolg“ gewesen sei, sei nicht als strafmildernd zu werten. Wagner sei „einer der wildesten Schießer“ der RAF gewesen und habe mit „unglaublicher Präzision und Brutalität“ und „geradezu unglaublicher Menschenverachtung“ gehandelt.
Wagner, der weitgehend darauf verzichtet hatte, am Verfahren teilzunehmen, erreichte auch diesmal den von ihm geforderten Ausschluß durch nachdrückliches „Dazwischenreden“. Er kündigte an, daß er sich auch die Urteilsverkündung am kommenden Mittwoch um 8.30 Uhr nicht anhören werde. Die Verteidigerinnen Heike Krause und Roswitha Maul lehnten es ab zu plädieren. Sie erklärten das damit, daß das Gericht gestern ihren Beweisantrag auf weitere Zeugenvernehmungen von Verwandten der RAF-Aussteiger ablehnte. Anlaß dazu waren auffällige Gedächtnislücken der Zeugen, die sich alle nicht mehr daran erinnern konnten, ob ihnen, ihren Anwälten oder Angehörigen von Bundesanwaltschaft oder Verfassungsschutz Versprechungen gemacht worden seien, wenn sie Geständnisse ablegten. Der Verfassungsschützer mit dem Decknamen „Benz“, der „im Vorfeld“ Gespräche über ein „Aussteiger-Programm“ führte, war, eine Seltenheit vor bundesdeutschen Gerichten, zur Aussage erschienen. Er hatte, ebenso wie sein Kollege von der Bundesanwaltschaft, bestritten, daß es „Versprechungen“ gegeben habe.
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