■ Schöner leben: Die letzten Hemden
Heute ein Aufschrei in punkto Hemdenmode. Wo nämlich kann, seien wir ehrlich, ein Kolumnist von Welt und Geschmack zugleich sich noch Hemden kaufen, wo? Ein einziger Bummel durch die zuständigen Abteilungen genügt schon, mich niederzuschmettern. So geht es nicht mehr weiter, so nicht. Die langjährige Schreckensherrschaft der Herbstschmierfarben habe ich überdauert; kein einziges dieser pfützenartigen, graubraunrötlichen Moderhemden habe ich gekauft, und es war schwer genug, denn anderes gab es ja kaum mehr auf dem Markt dieses Wolfssystems. Als dann aber die nächste Mode gebieterisch Einzug hielt, kam ich ernsthaft in Not, denn auch von diesem pyromanisch grellen Farbengebrüll, welches sich nun erhob, wollte ich nichts wissen. Während nun rings um mich die Menschen herumliefen wie Standbilder aus einem irren Videoclip, begann ich zu verzagen, denn ich hatte kaum noch fünf von meinen alten Hemden über die Zeiten retten können und fühlte den Tag herannahen, da ich die erste von diesen hellblau gestreiften Achselzwingen kaufen mußte, wie sie die Baufinanzierer lieben.
Noch halte ich stand und luge gelegentlich verstohlen nach den Hemdenständern, aber ach der Schmerzen! Die Holzfällerhemdenepoche ist neuerdings wieder ausgebrochen! Überall hängen sie herum mit ihren großen Karos; überall regiert das wollige, flanellantische, erzkanadische Joppenhemdentum, und unsereinem bleibt nur noch das Schafsfell gegen die Kälte der Zeit. Manfred Dworschak
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