: Ziemlich deutsch
■ Ist TV interkulturell? Ein Workshop des Grimm-Instituts
Die deutschen Medien machen ihrem Namen alle Ehre. Trotz zunehmender Ausländerfeindlichkeit sind Sendungen für oder über Immigranten nach wie vor Ausnahmeerscheinungen. Die Fremdsprachenprogramme des WDR werden nur noch auf Mittelwelle gesendet, die ZDF-Sendung „Nachbarn in Europa“ läuft mittlerweile am Samstagmorgen um 8 Uhr, trotz Millionen von „Gastarbeitern“ in Deutschland haben Zwei-Kanal-Sendungen beispielsweise in türkisch Ausnahmewert, und bei den kommerziellen Sendern ist für Ausländer schon immer Sendeschluß gewesen.
Die elektronischen Medien tragen so zu einer Ghettoisierung von Ausländern bei und treiben sie zum Beispiel dem türkischen Staatssender TRT, der ins deutsche Kabelnetz eingespeist wird, in die Arme. Von einem Fernsehen, das die multikulturelle Realität reflektiert, sind die deutschen Sender weit entfernt.
Der koloniale Diskurs des Kolumbus
Kann Fernsehen auch als Medium interkultureller Verständigung dienen? Diese Frage stellte ein Workshop des Adolf-Grimme-Instituts, der vergangene Woche in Marl stattfand. Der Bochumer Historiker Rainer Vowe konstatierte in seiner Analyse der Berichterstattung, die die ARD und ihre dritten Programme zum Kolumbus-Jahr 1992 ausstrahlten, daß die meisten Beiträge Elemente eines „kolonialen Diskurses“ bildeten, „der die Realitäten Lateinamerikas in andere transformiert“. In „Die Irrfahrten des Kolumbus“ verglich Moderator Hans-Joachim Kulenkampff (!!!) die „Entdeckung“ Amerikas mit der Landung auf dem Mond. So wird – laut Vowe – Kolumbus' Fahrt zur „technologischen Leistung“ hochstilisiert, die die Überlegenheit europäischer Ingenieurskunst über die „primitiven“ Indianer Amerikas hervorhebt.
Zwar sind gewissen Stereotypen über andere Länder kognitive Notwendigkeiten, ohne die wir uns überhaupt kein Bild von der internationalen Lage machen könnten, wie der Hamburger Politologe Hans-J. Kleinsteuber in seinem Vortrag ausführte. Doch das undifferenzierte Bild, das die Massenmedien von anderen Ländern produzieren, trüge zu Vorurteilen bei. Gerade Meldungen und Berichte über fremde Sitten und Kuriositäten aus anderen Ländern erweckten beim Leser oft den Eindruck, daß „ein zivilisiertes Leben nur in Deutschland möglich“ sei.
Ein Beispiel für gelingende interkulturelle Verständigung stellte Ed Klute von der holländischen Stiftung für die Berücksichtigung von Minderheiten in den Medien vor: Das Amsterdamer Migranten- Television (MTV) zeigt auf dem Offenen Kanal wöchentlich Sendungen, die von den Mitgliedern der eingewanderten communities produziert und gestaltet wird. Zwar sei der Zweck von MTV, das mit städtischen Mitteln gefördert wird, die Integration der Migranten in die holländische Gesellschaft; weil diese aber über die holländischen Medien kaum zu erreichen seien, informiert MTV in der Sprache der Einwanderer über soziale Leistungen des holländischen Staates, über Politik und über Kultur und Kunst. Die Sendungen erreichten bis zu 90 Prozent ihrer Zielgruppe.
Deutlich wurde in der Diskussion unter den Workshop-Teilnehmern jedoch, daß die Darstellung von Ausländern sich nicht auf Feature und Dokumentarfilme beschränken darf. Immer wieder wurde gefordert, daß Ausländer selbstverständlicher in den deutschen Fernsehalltag integriert werden müßten: sei es als Redakteure, als Sportreporter, als Nachrichtensprecher oder eben als Figuren in Seifenopern.
Das Seminar des Grimme-Instituts selbst war leider kein Modellfall für die Integration von Ausländern. Wie Seminarleiterin Sabine Jungk beklagte, hatten die meisten nicht in Deutschland geborenen Teilnehmer, die sie eingeladen hatte, aus verschiedenen Gründen kurzfristig abgesagt – so redeten in Marl fast ausschließlich Deutsche mit Deutschen über die Situation von Ausländern in den deutschen Medien. Tilman Baumgärtel
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