: Schlaflose Tage eines Beamten
■ Amtsposse: "Nazis ins Museum"-Aufkleber der "Netako"-Taxi-GmbH mußten wegen "Gefahr für das öffentliche Interesse" entfernt werden / Sonst Lizenzentzug
Das Landeseinwohneramt (LEA) ist wachsam. Fünf Monate kämpfte der Beamte Abisch an des Bürgers Stelle für die „Abwendung einer konkreten Gefahr für das öffentliche Interesse“. Gestern endlich erreichte er sein Ziel. Gesenkten Hauptes fuhren Mitarbeiter der „Netako“-Taxi-GmbH vor dem Portal des Amtes vor und taten zähneknirschend, was ihnen Abisch vom Referat für Fahrerlaubnisse und Personenbeförderung schon Ende Juni geheißen hatte: Sie befreiten auch das letzte ihrer fünf Taxen von einem Aufkleber, der Herrn Abisch schlaflose Tage beschert hatte. Das Corpus delicti, das ihn in „dringende Besorgnis“ um Berlins Betriebs- und Verkehrssicherheit umtrieb, war der Feder des Karikaturisten Tom entsprungen: „Nazis ins Museum“ fordert die Karikatur auf den Taxitüren.
Die Taxikollektivler von „Netako“ verstehen die Welt nicht mehr. Als Reaktion auf Brandanschläge, Morde und das zunehmend unverfrorene Auftreten von Neonazis hatten sie die Karikaturen im März auf die Türen ihrer Taxen geklebt. „Wir machten nur positive Erfahrungen“, versicherte Frank Wolter, einer der „Netako“- Leute, „vor allem von älteren Menschen und Ausländern kam viel Zuspruch.“ Bloß nicht vom Landeseinwohneramt. Da saß Herr Abisch und sah Gefahr im Anzug.
In seinem letzten Schreiben vom 8. November beschwor er schon Straßenkämpfe herauf. „Politisch gekennzeichnete Taxen“ drohten „zum Anlaß zu Auseinandersetzungen zwischen Taxifahrern einerseits und Taxifahrern und Fahrgästen andererseits zu werden“. Also: Aufkleber runter. Nur so könne man „Aggressionen“ und „Inakzeptanz“ verhindern und gewährleisten, „daß das politisch neutrale Gesamtbild aller Berliner Taxen ein Aushängeschild für alle Berliner und die Gäste der Stadt bleibt“.
Politische Werbung auf Taxen, das mußten die unbedarften Antifaschisten von „Netako“ in ihrem Ringen mit der Bürokratie lernen, ist nämlich eine „Dauerordnungswidrigkeit gem. Paragraphen 26, IV und 45, I, Nr. 5 Bst. j BOKraft“. Und die Aktion von Daimler- Benz, als der Stuttgarter Konzern Berliner Taxler mit „Mein Freund ist Ausländer“-Aufklebern beglückte? „Eine rein humanitäre Aktion“, so der Sprecher des Verkehrssenators, Tomas Spahn. Die Grenze zwischen Humanität und Politik vermochte allerdings auch er nicht auszumachen.
Die „Netako“-Leute haben sich schon eine „Untersagung“ vom LEA und eine „Verfügung“ vom Verkehrssenator eingehandelt, gegen die sie wiederum Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Auf die Gerichtsentscheidung wollte das LEA aber nicht warten. Herr Abisch, der wackere Kämpfer für „die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs“, griff schließlich vor zwei Wochen zu seiner schwersten Waffe: Er winkte mit Paragraph 25 des Personenbeförderungsgesetzes, der ihm die Befugnis gibt, dem Unternehmen die Lizenz zu entziehen. Eine „handstreichartige Nötigung“ sei das, empörten sich die „Netako“- Leute, aber da plötzlich die Existenz aller 20 Mitarbeiter auf dem Spiel stand, gaben sie erst mal klein bei. Es herrscht wieder Frieden auf Berlins Straßen, Herrn Abisch sei Dank. Kai Strittmatter
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