: Doc Michael fängt Pistolen-Pete
Michael Stich gewann die ATP-Weltmeisterschaft durch ein 7:6, 2:6, 7:6, 6:2 gegen den Weltranglisten-Ersten Pete Sampras ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt
„Die Arbeit hat sich bezahlt gemacht“, hauchte ein von seinen Glücksgefühlen fast betäubter Michael Stich nach seinem überzeugenden Sieg gegen „Big Hitter“ Pete Sampras ins Sat.1-Mikro. In der Tat: Exakt 1,24 Millionen US- Dollar kann Stich nach dem Gewinn der ATP-Weltmeisterschaft 1993 als „Undefeated Champion“ mit nach Hause nehmen – nach Elmshorn oder Salzburg. Der 25jährige Ehemann von Jessica Stockmann weinte Tränen der Rührung, bekannte knapp 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauern: „Jessica, ich liebe dich!“ und dankte schluchzend seinem Berater und Trainer Niki Pilic für die Unterstützung: „Ich hoffe, daß ich dir beim Davis-Cup einiges davon zurückgeben kann.“ Michael Stich auf dem Tennisgipfel – deutscher Wimbledon-Sieger (nach Boris Becker) und deutscher Weltmeister (nach Boris Becker).
Deutsche können so gemein sein: In der Festhalle hingen zwei große Transparente: „Schade Boris!“ und „Markt-Eurich grüßt Pappi Becker“. Für „Michael“ gab's nur einen kleinen Lappen: „Go Michael!“ Böse Zungen in der Presselounge behaupteten hinterher, daß diese Anfeuerung schon die ganze Woche an der Bande gehangen habe – als Gruß für Michael Chang.
Anyway: Michael Stich hat Sampras mit Bravour geschlagen – mit den Waffen seines Gegners. Insgesamt 27 Asse haute Stich „Pistol-Pete“ um die Ohren, davon acht in Folge. Und das faire Publikum feierte den Weltmeister mit stehenden Ovationen und einem Lichtermeer. Stich war an diesem Sonntag ihr „Hero“ (Mariah Carey). Und der Mann, der eigentlich Polizist werden wollte, bedankte sich brav für den Beifall – und bei den Sponsoren der IBM/ATP- Tour. Der Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) dankte den Spielern und dem Publikum, der schwäbelnde IBM-Direktor den Tour-Managern, den Spielern und dem Publikum und der Tourdirektor den Spielern, dem Publikum und den Sponsoren. „Great“ sei es gewesen in Frankfurt, meinte auch Pete Sampras, der als bester Spieler der Saison zusätzlich ausgezeichnet wurde. Danach verabschiedete sich „Big Pete“ – mit der etwas kleineren Salatschüssel aus Bleikristall im Gepäck.
Daß Michael Stich Weltmeister werden konnte, verdankt er vor allem seiner Nerven- und Aufschlagstärke im Tie-Break. Gleich zwei Sätze spielten Stich und Sampras via Tie-Break aus. Und mit seiner Serie unerreichbarer erster Aufschläge im vorentscheidenden dritten Satz zwang Stich seinen Gegner zum Handtuchwurf: Sampras fügte sich in die Niederlage und hielt im vierten und letzten Durchgang kaum noch dagegen (6:2 für Stich). Dabei hatte es im ersten Satz so ausgesehen, als ob das Spiel zugunsten von Sampras kippen würde. Stich führte bereits mit 5:2 Spielen, als der US-Amerikaner endlich aus seiner Anfangslethargie erwachte. Sampras breakte den Elmshorner zweimal in Folge und erzwang so den Tie-Break. Doch den entschied Stich mit 7:3 Punkten für sich. Der zweite Satz gehörte dann Sampras (6:2) – und der dritte wurde ein Krimi mit Tie- Break wie der erste Satz: Spiel- und Satzgewinn für Stich. Nach knapp drei Stunden konnte er endlich die langen Arme hochreißen und dann um Jessica sowie Pilic schlingen.
„Schwede oder Däne“ (Stich noch 1991) möchte Michael Stich nun nicht mehr werden, denn in diesem Jahr ist er in Deutschland zweifelsohne der bessere der beiden sehr bekannten Tennisspieler (geworden). Wie war doch noch der Name des anderen...?
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