Träume vom „Bur-assic Park“

Südafrikas rechtsradikale Weiße wappnen sich für jede Art von Konflikt / Nahrungsmittelboykott angedroht / Inkatha bildet Anhänger in Selbstverteidigung aus  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Taaf Bachmann zieht aus. Nach drei Jahren in dem kleinen schmucken Häuschen auf der Farm von Robert van Tonderen traut der junge Chemieingenieur dessen Freunden nicht mehr. Im 18 Kilometer entfernten Johannesburg gehen die Demokratisierungsverhandlungen zu Ende, auf dem Hof aber ging die „Vierkleur“, die Vierfarbige, am mit Stacheldraht geschützten Fahnenmast hoch. Van Tonderen gehört zum „Orde Boerevolk“, und er beläßt es nicht beim traditionellen Flaggensymbol der südafrikanischen Buren. In regelmäßigen Abständen treffen sich in einem Tal seiner Farm khakigekleidete Anhänger der neofaschistischen „Afrikaner Weerstandsbeweging“ (AWB) zum Üben an einem improvisierten Schießstand.

Südafrikas rechtsradikale Weiße träumen nicht nur unverdrossen weiter vom „Bur-assic Park“, wie Spötter in Anlehnung an Steven Spielbergs Dinosaurier- Film „Jurassic Park“ die Buren- Forderung vom eigenen Volksstaat nennen. Sie wappnen sich für jede Art von Konflikt. „Die Rechtsextremen sind in der Lage, Steine auf einen Zug zu werfen“, gibt sich der südafrikanische Politologe Frederik van Zyl Slabbert gelassen, „sie können ihn jedoch nicht entgleisen lassen.“

Der ehemalige Chef der südafrikanischen Streitkräfte, General Constad Viljoen, heute Führer der „Afrikaner Volksfront“, bemüht sich zwar noch in diesen Tagen Zugeständnisse zu erzielen, die es seiner Gruppierung ermöglichen würde, die Verhandlungsvereinbarungen zwischen Regierung und der Anti-Apartheid-Gruppierung ANC zu akzeptieren. Aber Viljoen warnt: „Ich kann nicht garantieren, daß ich die Kontrolle über meine Anhänger behalten werde.“

Viljoen verweist nicht nur auf militärische oder terroristische Bedrohungen: „Die Stabilität der Nahrungsmittelproduktion kann gefährdet sein.“ Weiße Bauern hatten schon Anfang dieses Jahres mit einem Nahrungsmittelboykott gedroht. Vor allem die „Graue Eminenz“ der Volksfront, der ehemalige Geheimdienstchef Tienie Groenewald, läßt immer wieder durchklingen, daß die rechtsradikale Organisation Vorbereitungen für eine militärische Mobilisierung trifft. Er hofft dabei auf die Mitglieder der paramilitärischen „Comandos“ und der „Citizen Force“, einer Art Reservistentruppe der südafrikanischen Streitkräfte.

Südafrikas Streitkräfte ließen, wie Befehlshaber General Georg Meiring zugab, rund 100.000 automatische Waffen an die Comandos verteilen. Die Begründung laut des seit 1.November amtierenden General: „Der Schutz von Haus und Hof.“ Ob sie zu den Waffen greifen werden, um Veränderungen zu bekämpfen, wird in Südafrika bezweifelt. Möglicherweise erfolgt die Aufrüstung der weißen Landbevölkerung, um befürchtete Landbesetzungen nach einem massiven Wahlsieg durch den ANC zu verhindern.

Roelf Meyer, Unterhändler von Staatspräsident Frederik de Klerk, erklärte vor einigen Tagen, die Tür für die Reformgegner werde bis zuletzt offengehalten. Die Gespräche mit der „Freiheitsallianz“, zu der die Afrikaner Volksfront, die rechtsradikale Konservative Partei, die Regierungen der Schwarzenreservate Boputhatswana und Ciskei sowie die Schwarzenbewegung Inkatha gehören, endeten mit einem Kompromiß, nach dem ein Referendum nur für Buren abgehalten werden soll.

Beobachter glauben, daß Inkatha und auch die Konservative Partei letzten Endes trotz ihres gegenwärtigen Boykotts der Verhandlungen an den Wahlen teilnehmen werden. Colin Eglin von der liberalen Demokratischen Partei: „Sonst manövrieren sie sich politisch in die Wüste.“ Inkathas Wahlkampfmaschinerie läuft bereits auf Hochtouren.

Aber die letzten Wochen gaben möglicherweise einen Vorgeschmack auf den Wahlkampf in der Inkatha-Hochburg Natal. Lokale Funktionäre verbreiten dort, daß die Wahlen nicht geheim sein werden und per Computer erkennbar wäre, wer für wen gestimmt habe. Die Absicht ist klar: Wähler sollen davon abgeschreckt werden, für andere Gruppierungen als Inkatha zu stimmen. Vor zwei Wochen wurden 16 ANC-Anhänger ermordet, nachdem sie eine Wahlkampfveranstaltung organisieren wollten. Selbst ANC-Führer Nelson Mandela mußte bei Pietermaritzburg eine Veranstaltung absagen. Der dortige Inkatha-Warlord David Ntumebal hatte gedroht: „Mandela hat hier nichts zu suchen. Das ist mein Gebiet.“ Inkatha-Chef Buthelezi richtete vor einem Monat zudem ein militärisches Trainingslager ein, in dem seine Anhänger in Selbstverteidigung ausgebildet werden.