: Meisterschüler auf dem Weg zur Macht in Rom
■ Der Grüne Francesco Rutelli und der Neofaschist Gianfranco Fini sind die Finalisten im Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters in der italienischen Hauptstadt
Die politischen Aussagen der beiden Aspiranten für das Bürgermeisteramt der Hauptstadt könnten verschiedener nicht sein. Auf der einen Seite der seit jeher in vorderster Linie der Menschenrechtsbewegungen, der Demokratisierung und der Multikultur kämpfende Grüne Francesco Rutelli, auf der anderen der für stärkere staatliche Autorität und Nationalismus stehende Gianfranco Fini vom Movimento sociale italieno- Destra nazionale (MSI-DN).
Persönlich jedoch haben sie nicht wenig gemein. Beide nahezu gleich alt, anfang beziehungsweise mitte vierzig, beide Zöglinge charismatischer Parteiführer: Fini wurde vor nahezu einem Jahrzehnt noch vom unumstrittenen Führer des MSI-DN, Giorgio Almirante, zu seinem Nachfolger auserwählt, Rutelli ist eine Art Meisterschüler des Gründers der Radikalen Partei, Marco Pannella. Beide hatten große Probleme, sich vom Image ihrer Überväter zu lösen. Beide fielen daher auch schon mal recht tief, gerade kurz vor angepeilten Zielen. Rutelli sollte schon einmal, im letzten Jahr, Oberbürgermeister in Rom werden. Doch da legten sich Christdemokraten und Sozialisten gerade wegen der Nähe zu dem immer für böse Überraschungen und schelle Kehrtwendungen guten Pannella quer. Fini entwickelte ein Projekt zur Modernisierung der neofaschistischen Partei, das bis hin zur Tilgung der für Nationalisten geheiligten grünweißroten Flamme im Parteisymbol und zum Abschwören vom Faschismus reichen sollte. Da empörte sich die Basis der alten Kämpfer um den Populisten Pino Rauti und setzte Fini ab. Erst drei Jahre später und im Gefolge verheerender Niederlagen bekam er die Partei wieder in den Griff.
Rhetorisch begabt, verstehen es beide ausgesprochen gut, sich in Szene zu setzen, haben sich bisher jedoch mehr als Führer von Volksbewegungen denn als Administratoren beweisen können. Minderheiten in den eigenen Reihen werfen beiden vor, große Teile der Anliegen ihrer Basis zerstört zu haben. Fini wird die Öffnung der Politik für Frauen – strammen Rechten stets ein Greuel – sowie die starke Betonung der Umweltpolitik als „Ersatz für das Blut-und- Bodendenken“ vorgeworfen; dazu auch die Tendenz, Mussolini als „historisch wichtig, aber überwunden“, den Faschismus als „nicht mehr wiederbelebbar“ abzutun. Rutelli, der einst die „Verdi Arcobaleno“, die Regenbogengrünen gründete und sie zunächst in scharfen Gegensatz zu den schon bestehenden „Verdi“ setzte, nutzte einige Niederlagen der Konkurrenz und setzte die Vereinigung der beiden Gruppen durch. Kurz danach hatte er die Gründerväter der Umweltbewegung bereits an den Rand gedrängt – zugunsten eines vorgeblichen Realismus, der vielen eher nach einem Profilierungshunger denn nach einer wirklich programmatischen Politik roch.
Beides also Kandidaten, die eine gewisse Glattheit aufweisen, die über Pragmatismus hinausgeht. Beide aber auch in einer überaus ungemütlichen Position im Falle ihrer Wahl. Fini könnte zwar, weil bar jeglicher Allianzen und Koalitionsmöglichkeiten (noch jedenfalls), unbekümmerter regieren als der von einem Bündnis aus Grünen, Linksdemokraten, Liste Pannella, Alleanza per Roma (linke Christdemokraten und Teile der industrienahen Republikanischen Partei) getragene Rutelli, der für die Stichwahl auch noch die Rifondazione comunista braucht – eine ihrerseits mit den Linksdemokraten verfeindete Gruppe der alten KP. Doch Fini hat die Unterstützung des römischen Unternehmerverbandes angenommen, und darin sitzen genau jene Zeitgenossen, die mit einer Modernisierung der Politik à la Fini ganz und gar nichts am Hut haben. Sie haben Rechts gewählt, weil sie Links traditionell für unwählbar halten und weil sie, im Kampf gegen die sezessionistischen Ligen, Rom als mächtige Hauptstadt erhalten wollen.
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