: Liaisons dangereuses
■ „L' esprit d'escalier“: französisch/deutsche Kunst im Treppenhaus des Bremer Institut Francais
Frankreich, Du hast es besser! Von dort kommen die herzhafteren Käsesorten, der süffigere Wein und allemal die kessere Mode, die sich nach wie vor kaum um ihre Verkäuflichkeit schert. Solche Unbeschwertheit muß natürlich auch auf die Kunst abfärben – wenn man denn an derlei Klischees glaubt. Von ausgesuchter Heiterkeit jedenfalls sind jene drei Pariser Künstlerinnen, die derzeit in Bremen ausstellen. Gemeinsam mit drei bremischen KollegInnen haben sie das Treppenhaus des Institut Francais in Beschlag genommen, um die hiesige „Kunst im öffentlichen Raum“ fortzuschreiben. Auf das zuletzt schwer kopflastige Bremer Kunstprogramm wirkt die Treppenschau wie eine Frischzellenkur – und tatsächlich sind es gerade die französischen Kunststücke, die eine charmante Leichtigkeit, Verspieltheit und Ironie in den öffentlichen Raum bringen.
So verfahren die sechs KünstlerInnen mit dem vorgefaßten Thema – die Treppe als „Ort der Bewegung“ und Begegnung etc. – recht großzügig. Graduell werden zwar „die Besonderheiten des Ortes reflektiert“, wie es seit den 80er Jahren Vorschrift ist in der Kunst der Postmoderne. Daran halten sich aber vor allem die deutschen Teilnehmer – womit sich die schönsten Klischees zu bestätigen scheinen. Organisator Nikola Blaskovic, selbst beteiligter Künstler, wollte spezifisch „französische Positionen“ den deutschen gegenüberstellen – Ansätze, „die auf mich eher fremd wirken“. So stehen die Französinnen nun in ihrem ganzen Liebreiz neben den düsteren Deutschen, den strengen Konzeptkünstlern, den ewig schwermütigen Grüblern.
Die Kunst von Valerie Olivier z.B. ist frei von jenen Berührungsängsten, die manchen heimischen Künstler plagen, wenn er sich mit seiner Kunst an die Öffentlichkeit begibt. Ihr pelzbesetztes Hockerobjekt ist ganz handfest begreifbar. In einem stillen Winkel des Treppenhauses lauert es den Passanten auf, um sie herauszuforden: zugreifen, anfassen, draufsetzen – oder lieber doch nicht?
Solche Spielchen liebt Olivier: den zufälligen Kunstbetrachter zu überrumpeln, seine Ehrfurcht vor der Kunst auf den Prüfstand zu stellen. Letztlich obsiegt natürlich die animalische Anziehungskraft der Kunstviecher. Das ist als subversive Strategie zwar nicht eben neu; der verwandelte Toilettenhocker erinnert nicht ganz zufällig an Meret Oppenheims Pelztasse und an andere Mutationen der Surrealisten. Aber im Treppenhaus des Institut Francais, irgendwo zwischen halböffentlicher und privater Atmosphäre, entfalten solche obskuren Objekte immer noch ihren Witz und ihre Wirkung.
So bedienen sich auch Oliviers Kolleginnen recht freimütig am Alltäglichen und ganz Gewöhnlichen, um es für die Zwecke der Kunst umzumodeln. Da schöpfen sie aus der Welt der Wundertüten und Sammelbildchen, da mutieren sie liebreizende Comicfigürchen zu Monstren. Das mutet zwar manchmal kitschig und unglaublich schwülstig an - aber in keiner Weise aufgesetzt: Hier geht es nicht um erzschlaue Zitate, sondern um das Ausleben von Lust und Künstlerlaune.
Solche Ausgelassenheit - und solcher Mut zum Risiko - sucht man auf den deutsch besetzten Etagen des Treppenhauses vergeblich. Wie weit sich besonders die junge Generation der Konzeptkünstler von jeglicher Anschaulichkeit verabschiedet hat, demonstriert der Beitrag von Roland Eckelt: Seine Serie von Zeichnungen (“Strahlen stürzen“) vermittelt nichts und soll auch nichts vermitteln - außer der nicht gerade epochalen Erkenntnis, daß es im Treppenhaus keinen idealen Standort für die Kunstbetrachtung gibt.
Von der Leichtigkeit der französischen Kunst hat sich allein Nikola Blaskovic ein wenig inspirieren lassen. Seine gezeichnete „Tapete“ nimmt den gängigen Vorurteilen gegen abstrakte Kunst elegant den Wind aus den Segeln; auf strenge Setzungen und Sinnzuweisungen kann solche Kunst dann locker verzichten. Und siehe: Schon nähern sich die verschreckten Betrachter an und entdecken die schönsten Dinge in der Kunst, ganz einfach im Vorübergehen.
Thomas Wolff
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