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In den Klauen der Industrie

■ Die Ausrüsterfirmen diktieren über ihre Interessenvertretung, das International Racing Team (IRT), beim alpinen Ski-Weltcup immer stärker die Bedingungen

München (dpa) – Im alpinen Skizirkus ist ein Machtkampf zwischen der Industrie und den Verbänden entbrannt. Ob bei der Gestaltung des Weltcup-Kalenders, ob bei der Unterstützung der Mannschaften – immer stärker wollen die Ski-Hersteller das Geschehen diktieren. Noch nie präsentierten sich die Ausrüsterfirmen in der Vereinigung IRT (International Racing Team) in solcher Einigkeit, um ihre Vorstellungen gegen Sportler und Funktionäre durchzusetzen. Das Hauptargument sind 50 Millionen Dollar, die die Industrie jährlich laut IRT- Generalsekretär Hannes Fürstauer in die Verbände pumpt: „Aufgrund der Rezession müssen wir sehen, daß wir einen Gegenwert für unser Geld erhalten.“

Eine erste Verbeugung vor den Sponsoren war der verfrühte Weltcup-Auftakt Ende Oktober in Sölden. In seltener Harmonie bemühten sich die Sportler, den ungewohnt zeitigen Beginn mit dem Hinweis an die Geldgeber zu verteidigen. Und Fürstauer gibt zu, daß Sölden eine „Verkaufshilfe“ für Weihnachten war. „Wir müssen wegen des Verdrängungswettbewerbs im Herbst den Winter einführen.“

Vor der Weltcup-Fortsetzung am Wochenende in Santa Caterina (Frauen) und Park City (Männer) wird deutlich, daß die Industrie noch mehr Einfluß auf den Kalender nehmen will. „Weniger Rennen, früher anfangen, früher aufhören“, fordert das IRT für das kommende Jahr. Bei seiner letzten Vorstandssitzung am Montag im schweizerischen Oberhofen probte der Weltverband FIS jedoch den Aufstand. Er hob einen im Frühjahr auf Druck der Industrie gefaßten Beschluß, den Ski- Weltcup auf 28 Rennen zu reduzieren, auf und entschied, das bisherige umfangreiche Programm auch in der Saison 1994/95 beizubehalten. Bis die Planungs-Kommission am 10.Dezember in Val d'Isere endgültig entscheidet, sind daher Querelen programmiert. „Es wird in unsere Richtung gehen“, ist Fürstauer überzeugt. FIS-Präsident Marc Hodler habe dem IRT zugesichert, daß den Vorstellungen der Industrie künftig entsprochen werde. Andernfalls würden die Ausrüster „entsprechend reagieren“.

Gleichzeitig verstärkt das IRT, in dem zwölf Ski-, acht Schuh- und vier Bindungsfirmen vertreten sind, den Druck auf die Verbände. Die Unternehmen, die bisher in Einzelverträgen die Ski-Pools unterstützten, wollen über „Poolrahmenverträge“ einheitliche Richtlinien. „Die wollen uns diktieren“, sagt Heinz Krecek, der Wirtschaftsreferent im Deutschen Skiverband (DSV). Laut Krecek zahlen die acht Ski-Hersteller im DSV-Pool je 34.000 Mark Gebühren im Jahr, vier Bindungs-Firmen je 12.000, acht Schuh-Hersteller je 7.500, neun Stockfirmen je 5.000 und zwei Brillen-Ausrüster je 30.000 Mark – dazu Serviceleute und Prämien. Bei Einheitsgebühren würde sich der DSV möglicherweise verschlechtern. Zudem will das IRT laut Krecek Erfolge der Frauen geringer als die der Männer honorieren.

Doch die Pläne der Industrie gehen weiter. Derzeit wird geprüft, ob sich die bisher bei den Verbänden liegenden Fernsehrechte zentral vermarkten lassen. Auch die Skier der Rennläufer selbst sollen in Zukunft mehr Geld bringen, indem Fremdsponsoren – etwa die Werbung eines Getränke-Konzerns – auf der Oberfläche der Bretter erlaubt werden soll. Um geschlossener aufzutreten, ist die Gründung einer „Firma IRT“ als „Druckmittel“ (Fürstauer) geplant. Bisher hätten die Firmen ihre starke Position nicht genug genutzt.

Der DSV will die Entwicklung nicht einfach hinnehmen. Krecek: „Wenn wir schnell mit einigen Firmen vorab Verträge schließen können, fallen die IRT-Pläne zusammen.“ Ansonsten müsse er, so der umtriebige DSV-Geldbeschaffer, eben zum „Mafioso“ werden.

Ebenfalls in seiner Sitzung am Montag beschloß der Weltverband, Snowboard als offizielle FIS- Disziplin anzuerkennen. Außen vor blieb das Speed Skiing, das als Demonstrationswettbewerb im Programm der Winterspiele 1992 in Albertville war.

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