: Zuviel Wohnplätze
■ Senat soll neu nachdenken über Asylunterkünfte
Die Zahl der AsylbewerberInnen sinkt weiter. Deshalb soll der Senat bis zum Sommer 1994 über ein neues Konzept für die Unterbringung von AsylbewerberInnen nachdenken. Das forderten jetzt die Bürgerschaftsabgeordneten von SPD, Grünen und FDP. Für nichtgenutzte Plätze auf dem Wohnschiff im Kohlenhafen sind rund eine halbe Million Mark ausgegeben worden. Just zu dem Zeitpunkt, als ein schärferes Asylgesetz im Bundestag beschlossen wurde, ist nämlich die „Embrica Marcel“ im Kohlenhafen vertäut worden. Das interessierte auch den Bund der Steuerzahler: Ob man nicht die sinkenden Zahlen habe voraussehen können, wollte er von der Sozialsenatorin wissen.
Nein, habe man nicht, schrieb die Senatorin vor kurzem an den Stuerzahler-Bund zurück. Es sei bis zuletzt äußerst unsicher gewesen, ob die SPD im Bundestag der Asylrechtsänderung zustimmen würde. „Das ist schon peinlich für das Sozialressort“, findet Karoline Linnert, grüne Bürgerschaftsabgeordnete. Daß das Asylgesetz geändert werde, stand für die Grünen außer Zweifel. Sie haben immer wieder darauf hingewiesen, daß nach einer Gesetzänderung weniger ZuwandererInnen kommen würden, man deshalb das Schiff nicht brauche.
Sicher, nun könne man einige andere Unterkünfte auflösen, schreibt die Sozialsenatorin weiter. Andererseits habe der Bundesinnenminister den Ländern empfohlen, nicht voreilig Einrichtungen aufzugeben und die Entspannungszeichen nicht überzubewerten. Nach wie vor kämen viele Flüchtlinge aus Osteuropa.
Das Wohnschiff jedenfalls will die Senatorin auf jeden Fall behalten, dafür könne man 660 kostenträchtige und schlechte Unterkunftsplätze bis Ende 1994 aufgeben. Bis Ende 1994 wohl rund 1000 Unterbringungsplätze.
Für Linnert ist noch längst nicht entschieden, daß das Schiff bleibt. Zwar fordert das Asylbewerberleistungsgesetz für die ersten zwölf Monate des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Gemeinschaftsunterkünfte und Gemeinschaftsverpflegung. „Aber im Gesetz steht keine Zahl, eine Gemeinschaftsunterkunft kann also auch ein Haus mit zwölf Bewohnern sein“, sagt die Abgeordnete. Das Sozialressort schöpfe die Spielräume im Gesetz keinesfalls aus. Ganz anders dagegen Niedersachsen oder Hessen, wo es den Wohlfahrtsverbänden überlassen bleibt, ob sie Waren oder Wertgutscheine ausgeben. Nur eins steht auch für Linnert fest: Verlegt wird das Schiff wohl nicht mehr. Ein Anleger müßte 80 Meter lang sein und würde Millionen kosten cis
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