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PVC-Verbot vertagt

■ Umweltministerkonferenz schmettert Bremer Vorstoß ab

Ein Verbot oder eine strikte Einschränkung von Produktion und Verarbeitung des giftigen Chemiestoffes Polyvinylchlorid (PVC) wird es in Deutschland erst einmal nicht geben. Einen entsprechenden Antrag Bremens verschob gestern die Umweltministerkonferenz (UMK) in Saarbrücken bis ins Frühjahr. Dort soll der Antrag Bremens bei der nächsten UMK-Sitzung in Dresden vorrangig behandelt werden. Während Umweltsenator Ralf Fücks (Grüne) gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, sprach die Umweltschutzorganisation Greenpeace in Hamburg von einem „Armutszeugnis für die Umweltminister“.

Dabei hatten die Bremer in ihrer Vorlage nicht viel mehr getan, als die konkrete Umsetzung der Handlungsempfehlungen zusammenzufassen, die die Umweltminister selbst vor einem Jahr verabschiedet hatten und sie weiterzudenken. In einem Bericht über die Umweltgefährlichkeit von PVC hatte der Bund-Länder-Ausschuß für Umweltchemikalien (BLAU) im September 1992 festgestellt, daß PVC- Verbrennung im Müll und Produktion von PVC-Produkten „weitestgehend eingeschränkt werden sollte“ und PVC-Produkte gekennzeichnet werden sollten.

Der Bremer Entwurf sah als Ziel einen stetigen Rückgang von PVC bis hin zum Ausstieg aus Verbrauch und Produktion vor. Dabei sollte eine freiwillige Selbstverpflichtung der chemischen Industrie Vorrang haben. „Aufgrund der bisherigen Erfahrungen“ damit sollte es aber auch Verwendungsverbote für PVC in Verpackungen, ein Verbot der cadmium- oder bleihaltigen Stabilisatoren, Rücknahmepflicht für PVC-Altprodukte und eine Kennzeichnungspflicht für PVC- Produkte geben. Diese Formulierungen gingen den Umweltministern der Länder zu weit: sie vertagten das unbequeme Thema, das in Saarbrücken ganz hinten auf die Tagesordnung gesetzt worden war, zur Diskussion nach Dresden.

Auch in Saarbrücken wurden die Umweltminister von den Chemie- und den Umweltlobbies nicht in Ruhe gelassen. Die chemische Industrie, die im Sommer in Hessen ein generelles PVC-Verbot der rot- grünen Landesregierung gekippt hatte, bombardierte die Umweltpolitiker mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen und Telefaxen. AktivistInnen von Greenpeace mahnten die PolitikerInnen zu einem PVC- Verbot undmachten sie per Plakataktion für die Dioxinverseuchung der Bevölkerung verantwortlich. Irmi Mussack, Bereichsleiterin Chemie bei Grrenpeace, nannte den Bremer Vorstoß „sehr verantwortungsbewußt“. Bis zum Frühjahr sei jetzt Zeit, um in den Ländern für ein PVC-Verbot zu werben. „Die Umweltminister haben vor dem Problem gekniffen und ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Man kann nur hoffen, daß ihnen langsam dämmert, daß sie handeln müssen.“ bpo

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