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Nichts ist unmöglich: Viertagewoche bei VW

■ 10 Prozent weniger Lohn / Arbeitszeitverkürzung beschlossen

Berlin (taz/AFP/dpa) – In den sechs inländischen Werken der Volkswagen AG wird vom 1. Januar 1994 an die Viertagewoche eingeführt. Nach einem Verhandlungsmarathon einigten sich gestern früh die Gesprächsführer der IG Metall und die Konzernspitze auf eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von derzeit 36 auf 28,8 Stunden. Die rund 100.000 VW-Beschäftigten müssen nach der bis Ende 1995 befristeten Vereinbarung laut Gewerkschaftsangaben mit Einkommenseinbußen von jährlich rund zehn Prozent rechnen.

Die Monatseinkommen werden auf bisheriger Höhe gehalten, bei den tariflichen Sonderleistungen aber gekürzt. Der Konzern garantiert im Gegenzug, daß es in den beiden nächsten Jahren keine betriebsbedingten Entlassungen geben wird. Der VW-Vorstand und die Große Tarifkommission der IG Metall müssen der in fünf Verhandlungsrunden erzielten Einigung noch zustimmen. Die Tarifkommission der IG Metall entscheidet am nächsten Montag.

Mit der Entscheidung soll die Entlassung von 30.000 Beschäftigten verhindert werden. Der Vorsitzende des VW-Gesamtbetriebsrates, Klaus Volkert, sprach von einer „Solidarleistung aller Beschäftigten“. Wie die Arbeitszeitverkürzung in der Praxis aussehen werde, richte sich nach den betrieblichen Erfordernissen, aber auch den persönlichen Bedürfnissen jedes Kollegen. Der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel betonte, „intelligente Tarifpolitik“ habe trotz tiefer Wirtschaftskrise eine „akzeptable Lösung“ für die Beschäftigten und das Unternehmen ermöglicht.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, bezeichnete die Vereinbarung als „Zeichen tarifpolitischer Vernunft“. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rainer Haungs, würdigte das Ergebnis als „Lösung für die Zukunft“. Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann nannte die Übereinkunft „wegweisend“, betonte aber, daß die Massenarbeitslosigkeit nur durch ein Anspringen der Weltkonjunktur und mehr Wettbewerbsfähigkeit bekämpft werden könne. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Klaus Bregger, sprach dagegen von einer „Entscheidung gegen die Marktwirtschaft“.

Die großen Unternehmen sehen die VW-Vereinbarung über die Viertagewoche in der Regel nicht als Modell, eigene Schwierigkeiten zu beheben. Opel-Chef David Herman sprach von einer „falschen Antwort“. Das Teilzeitmodell mit verkürzter Wochenarbeitszeit könne nur eine Antwort auf eine konjunkturelle Krise sein. Dabei werde der Mangel, nämlich weniger Aufträge und weniger Arbeit, nur verteilt.

Hans-Wolfgang Hirschbrunn, Personalvorstand bei der Daimler-Benz AG in Stuttgart, forderte mehr Spielraum für die einzelnen Betriebe. Das VW-Modell sei ein „ermutigendes Signal“ für die kommende Tarifrunde in der Metallindustrie, weil die IG Metall einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich zugestimmt habe. Die Übernahme der tariflichen Regelungen bei VW sei aber keine Lösung für Daimler. BD

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