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■ ÖkolumneAnders arbeiten, um fair zu handeln Von Frieder Otto Wolf

Als die britischen Bergarbeiter 1985 streikten, hat mir ein Vertreter der Bergarbeitergewerkschaft diese Bilder gezeigt: Fotos von ausgemergelten Kindern in kolumbianischen Bergwerken, von denen die Importkohle kam, deretwegen die britischen Zechen als unrentabel geschlossen werden sollten. Ich habe auch die Verzweiflung und den Haß in den Gesichtern gesehen, als die – gar nicht mehr so zivilen – „Bobbies“ sich für die Streikbrecher durch die Streikposten prügelten.

Es gibt in der Tat starke Argumente dafür, daß der Export in die Industrieländer des „Nordens“ für die ProduzentInnen des „Südens“ oft alles andere als vorteilhaft ist. Öko- und Sozialdumping sind Realität. „Weltmarkt ist Weltkrieg“, wie der holländische grüne Priester Verbeek sagt. Die Länder Ost- und Mitteleuropas machen inzwischen die gleiche Erfahrung: Entweder zerstören sie sich, indem sie hochproblematische Produkte exportieren – oder sie gehen kaputt, weil sie keine Devisen mit Exporten verdienen.

Ist ein „grüner Protektionismus“ die richtige Antwort? Wir können nicht von den Auswirkungen absehen, die eine protektionistische Politik unter den bestehenden Bedingungen hat. Im „Süden“ befördert der Protektionismus des „Nordens“ nicht etwa den Ausstieg aus der Produktion von „Exportfrüchten“, von „cash-crop“. Im Gegenteil, in einer mörderischen Konkurrenz der Produktionsstandorte werden alle Ressourcen darauf konzentriert, sich vom kleiner werdenden Exportkuchen wenigstens noch ein paar Krümel zu sichern. Innerhalb der EG wird hinter den protektionistischen Mauern nicht weniger rücksichtslos auf exportfähige Produktionen gesetzt, bei denen die kleinen, im regionalen Kontext sinnvollen Produktionen das Nachsehen haben.

Die Alternative von Protektionismus oder Freihandel ist falsch gestellt. Worum es in Wirklichkeit geht, ist eine ausgehandelte Regulierung des Weltmarktes, ein für beide Seiten langfristig vorteilhafter, fairer Handel – was zwischen den „Zentren“, USA, Europa und Japan (plus seinen südostasiatischen Drachen), in Gestalt von „gentlemen's agreements“ etwa über japanische Importe schon öfters funktioniert. Dabei wird immer wieder über die Handelsmengen für bestimmte Zeiträume zu reden sein, nicht bloß über das Akzeptieren oder Ablehnen bestimmter Pro- duktionen.Foto: Andreas Schoelzel

Auch wenn es für ein Land wie Nicaragua mittelfristig gut ist, aus der Kaffee-Monostruktur herauszukommen – wenn das Land jetzt keinen Kaffee mehr zu fairen Preisen exportieren kann, ist das eine volkswirtschaftliche Katastrophe.

Der Schlüssel zu einem Ausweg aus diesem Dilemma liegt hierzulande: in dem durchaus konkreten Eigeninteresse der hier Arbeitenden an einer Arbeit, die nicht die eigenen Voraussetzungen untergräbt, an einem Arbeitslohn, der nicht auf der wackligen Voraussetzung beruht, andere übers Ohr gehauen oder beraubt zu sehen. Der Anspruch auf „Sinn“ kann dabei nicht der zentrale Punkt sein. Gerade den vielen, die heute schon mit ihrem Lohn knapp über der Armutsgrenze leben, wird es mit Recht nicht einleuchten, für „mehr Sinn“ größere Opfer zu bringen oder zugunsten unbekannter Fremder „Verzicht zu leisten“.

Eine ökologische Wende zu nachhaltiger, regional zentrierter Produktion in den nördlichen Industriegesellschaften liegt in unserem ureigensten Interesse als hierzulande Erwerbstätige. Sie kann nicht nur die Gesellschaften hier wieder öffnen für alle diejenigen, die jetzt im Namen der „Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt“ ökonomisch herausgedrängt werden. Sie macht darüber hinaus unsere Volkswirtschaften wieder fähig zu einem fairen Austausch mit anderen. Insofern beginnt der lange Weg zu einer ökologisch-solidarischen Weltwirtschaft für uns hierzulande, mit der Veränderung unserer Art, zu arbeiten und zu leben. Und der Druck der Länder des „Südens“ auf einen faireren Welthandel, wie ihn die Nichtregierungsorganisationen an uns weitergeben, die sich kürzlich in Brüssel unter der Fragestellung nach einem „green deal“, einem „grünen Handelskompromiß“, versammelt haben, hilft uns in unserem eigenen Kampf.

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