Israel macht Jagd auf Hamas-Führer

Sonderkommandos erschossen am Freitag einen zweiten Islamistenführer / Bewaffnete Fatah-Aktivisten dürfen dagegen auf Amnestie hoffen / Spannungen innerhalb der PLO-Führung  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der 25jährige Palästinenser Khaled Mustafa Zayir stand weit oben auf den Fahndungslisten der israelischen Sicherheitsorgane. Am Freitag wurde der Kommandant der Izz ad-Din al-Kassim – des militärischen Arms der islamistischen Hamas-Bewegung – in der Nähe von Jerusalem von einer Sondereinheit israelischer Soldaten und Geheimdienstler „auf der Flucht erschossen“. Zayir soll an bewaffneten Aktionen gegen israelische Soldaten und Siedler in der Westbank beteiligt gewesen sein. Er stand in enger Verbindung mit Imad Akal, dem 23jährigen Chef von Izz ad-Din al-Kassem, den isralische Soldaten am Mittwoch im Gaza-Streifen getötet hatten. Die Organisation schwor auf Flugblättern blutige Rache für ihre getöteten Kommandeure.

Während israelische Militärs derzeit verstärkt Jagd auf Mitglieder des bewaffneten Hamas-Flügels machen, bieten sie von ihnen gesuchten Kämpfern der von Jassir Arafat geführten Fatah an, sich bei den israelischen Behörden zu melden, um unbestraft davonzukommen. Dieses Angebot wurde zwischen der Fatah-Führung und der israelischen Regierung ausgehandelt und soll in den letzten Wochen von zahlreichen Fatah-Kämpfern angenommen worden sein. Andere Fatah-Leute lehnten es jedoch ab, die Waffen zu strecken, und solidarisierten sich – besonders nach den letzten Erschießungen – mit den Kämpfern von Hamas.

Die Hamas-Führung in den besetzten Gebieten verlangt von Arafat, bei den israelischen und den US-amerikanischen Behörden gegen die Erschießungen zu protestieren. Auf frischgemalten Graffiti im Gaza-Streifen wird der PLO-Chef aufgefordert, sein Volk zu verteidigen, „anstatt Juden in Schutz zu nehmen und mit Israel zu verhandeln“.

Innerhalb der Fatah soll es nach Berichten aus Jordanien große Meinungsverschiedenheiten geben. Besonders umstritten ist demnach das von Arafat erlassene Verbot weiterer Widerstandsaktionen gegen die israelischen Besatzer und Siedler. Einige führende Funktionäre der Fatah sollen der Meinung sein, der Widerstand dürfe nicht eingestellt werden, wenn weiterhin bewaffnete Siedler Palästinenser angreifen und die Unterdrückung durch die Besatzungstruppen anhält. Es müsse so lange Druck auf Israel ausgeübt werden, wie die Besatzung andauert und Israel sich weigert, unverzügliche alle palästinensischen Gefangenen freizulassen.

Der israelische Bauminister Benjamin Ben-Eliezer (Arbeiterpartei) erklärte am Samstag, die Erschießung von Kommandanten des militärischen Flügels von Hamas solle signalisieren, daß israelische Sicherheitskräfte auch weiterhin für die Sicherheit der Siedler sorgen und Terroristen bekämpfen werden. Auch nach der Einsetzung einer palästinensischen Polizei bleibe die Sicherheit israelischer Siedler in der alleinigen Verantwortung der israelischen Armee und Geheimdienste. Er hoffe, daß die Tätigkeit israelischer Sicherheitskräfte in den besetzten Gebieten nicht zu Konflikten mit der palästinensischen Polizei führen werde. Die Palästinenser müßten eng mit den israelischen Soldaten zusammenarbeiten: „Wir werden zeigen müssen, daß israelisches Militär und palästinensische Polizei gemeinsam gesuchte Personen verfolgen. Das ist in unser beider Interesse.“

Arafat: Verhandlungen in der Sackgasse

Laut PLO-Chef Arafat stecken die israelisch-palästinensischen Gespräche über die Umsetzung des „Gaza-Jericho-Abkommens“ in einer Sackgasse. Während eines Besuches in Schweden erklärte er am Samstag, die israelische Regierung weigere sich, ihre Soldaten aus dem Gaza-Streifen abzuziehen. Statt dessen plane das israelische Militär eine Umgruppierung der Truppen. Zuvor war der PLO- Chef überraschend von dem Leiter der palästinensischen Verhandlungsdelegation, Nabil Schaath, aufgesucht worden. Ein israelischer Militärsprecher bezeichnete die Äußerungen Arafats als „Taktik, um inneren Schwierigkeiten der Palästinenser Herr zu werden“. Israelische Politiker räumen jedoch ein, daß es noch ungelöste Fragen gebe und der für den Beginn des Abzugs vorgesehene Termin, der 13. Dezember, vielleicht nicht eingehalten wird. Möglicherweise werden sich zuvor Arafat und der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin treffen, um letzte Differenzen auszuräumen