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Auf Berlin gesetzt und verloren

■ Ladbroke, ein englisches Wettbüro für Pferderennen, schließt heute nach nur 18 Monaten seine Hauptstadt-Dependance / Ossis lagen mit ihren Tips meist daneben

Der Russe ist schuld. „Er ist nach dem Krieg mit seinen Gäulen gekommen und hat sie mit unseren Pferden vermischt“, sagt Erika Matuschke. Über den damaligen Plan einer „Sozialistischen Pferdezucht“ ärgert sie sich heute noch: „Das war Inzucht“, zischt sie. Und es kam noch schlimmer. „Unseren großen Deckhengst Faktotum hat der Iwan gleich als Reparation kassiert.“ Die 62 Jahre alte Witwe aus Potsdam ist sauer.

Denn irgendwie ist „der Russe“ auch schuld daran, daß sie heute in einem englischen Wettbüro in der Leipziger Straße sitzt und nicht zum Rennen nach Dortmund fahren kann. „Dafür fehlt uns Ossis doch das Geld.“ Nun macht das Wettbüro auch noch zu. Heute darf das letzte Mal auf Rennen in Auteuil, Taunton Nottingham und Dortmund gewettet werden. Das englische Wettunternehmen Ladbroke hatte aufs wiedervereinigte Berlin gesetzt und alles verloren. „Wir haben hier nur investiert“, sagt Alain Dhooghe, PR-Manager bei Ladbroke. Nach dem Fall der Mauer witterte Ladbroke in Berlin einen riesigen Markt für Pferdewetten. Die Konzession für die „Wett-Arena“ in der Leipziger Straße stellten die DDR-Behörden noch kurz vor der Wiedervereinigung aus. „Wir haben von dieser unklaren Situation natürlich profitiert“, gibt Alain Dhooghe zu.

Am 1. Juni 1992 war Eröffnung. Viele Wetter aus Ostdeutschland lagen mit ihren Tips auf die englischen Pferde so daneben, daß sie nie wiederkamen. Nach einem kurzen Eröffnungsboom waren oft mehr Wettannehmerinnen als Kunden im Laden.

Am letzten Wochenende vor der Schließung wird es im separaten „Club-Treff“ auf einmal laut. „La Baronesse“, eine dreijährige Stute, hat gerade das zweite Rennen in Stuttgart gewonnen. Erika Matuschke durchzuckt es. Trotz ihrer Gehbehinderung springt sie aus dem schwarzen Kunstledersessel auf. „Die hab' ich“, schreit sie. Auf ihren Einsatz von 2 Mark 50 bekommt sie 6 Mark ausgezahlt. „Steepler sind eben gute Flieger“, lacht sie, „'ne alte Turf-Weisheit.“ Im Nebenraum an der Theke hat ein junger Mann durch „La Baronesse“ gerade 250 Mark gewonnen. Das beeindruckt die 62jährige überhaupt nicht. „Das sind doch Zocker. Der wirkliche Pferdefreund wettet, um sich zu bestätigen.“

Die meisten Galopper aus Deutschland würde Erika Matuschke auf einem Foto erkennen. Seit 1965 liest sie den Rennkurier, den sie in ihrem Keller bündelt. 1966 hat ihr Mann auf der Rennbahn in Hoppegarten eine Loge gemietet. Seitdem ließen die Matuschkes kein Rennen mehr aus.

Neben Erika Matuschke sitzt der 40jährige Rolf Güster, ein „alter Galopperfreund“. Seit der Wiedervereinigung wettet Güster nur noch „kleine Sachen“. „In den volkseigenen Annahmestellen war die Wetterei sicherer“, erzählt er. „In der DDR gab's 500 Pferde, und man wußte genau, wer wie gut in Form ist. Da hatte ich jeden Monat mein zweites Gehalt.“ Im Sommer war Bernd Güster das erste Mal in Florida. Nach zwei Tagen hat ihm ein Amerikaner von einer Pferderennbahn erzählt. „Da war der Urlaub dann gelaufen.“

Vor dem fünften Rennen in Dortmund will Erika Matuschke was riskieren. Sie setzt auf „Wolgasturm“, ein ostdeutsches Pferd. Ihre Wettfreunde schütteln die Köpfe. Bei einem Sieg gäbe es das 30fache des Einsatzes.

Von wegen Sturm: Frau Matuschkes Favorit belegt den vierten Platz. Verloren. Nils Klawitter

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