: Atomunfall im Labor
■ Mehrfach aufgeschobene Simulierung eines GAUs soll heute beginnen
Paris (dpa) – Für die einen beginnt heute ein gefährliches Spiel mit dem atomaren Feuer, für die anderen der Anfang einer neuen Sicherheits-Ära im Nuklearbereich. Kaum ein Versuch hat in den vergangenen Monaten soviel Proteste hervorgerufen wie das bevorstehende Störfallexperiment in einem Versuchsreaktor im südfranzösischen Cadarache. Erstmals soll absichtlich ein Atomunfall simuliert werden. Die Organisatoren erhoffen sich davon Aufschlüsse, die zu einer Optimierung von atomaren Sicherheits- und Schutzvorrichtungen sowie zu besseren Reaktionen bei einem echten Störfall führen sollen.
Die Kritiker werfen den Atomforschern dagegen „atomare Brandstiftung“ vor. Zu ihnen zählen nicht nur Umweltschützer, auch das Reiseunternehmen TUI sowie die Sozialdemokraten haben sich skeptisch zu dem Versuch geäußert. „Der Versuch ist teuer, überflüssig und gefährlich. Eine Kernschmelze im Blindflug“, so Thomas Schultz-Jagow von Greenpeace.
Mit seinen 56 Kernreaktoren und als größter Atomstaat nach den USA hat Frankreich starkes Interesse an den erwarteten Informationen. Drei Viertel des französischen Strombedarfs werden aus Atomenergie gedeckt, in Deutschland ist es ein Drittel. In den kommenden zehn Jahren sind sechs Versuche geplant. Frankreich trägt 55 Prozent der Versuchskosten von rund 260 Millionen Mark. Die Nuklearstaaten USA, Kanada, Japan und Korea zahlen 15 Prozent. Deutschland ist über die EU an dem Experiment beteiligt, die 30 Prozent der Kosten trägt. Aus diesem Grund hat Greenpeace Strafanzeige gegen den deutschen Forschungsminister gestellt – wegen „strafbarer Vorbereitung der Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie“.
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