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„Lebens- statt Sterbehilfe“

■ Im Rat & Tat-Zentrum betreuen Ehrenamtliche 62 Aids-Infizierte

„Viele HIV-infizierte Menschen haben zunächst den Wunsch, ihr Leben weiterhin aus eigener Kraft zu regeln. Sie wollen nicht, daß die Krankheit ihr Leben bestimmt. Deshalb suchen sie zunächst weder eine Beratung auf, noch die Hilfe in Form von einer Betreuung“, erzählt Arno Oevermann von der AIDS- Hilfe im Rat & Tat-Zentrum. Die Hälfte der Betroffenen melden sich erst, wenn sie bereits erkrankt sind. Häufig wünschen sie dann auch eine Betreuung. Das Rat & Tat- Zentrum hat etwa 20 Stamm-BetreuerInnen, die in der Lage sind, den AIDS-Erkrankten zu helfen.

In Bremen und dem Bremer Umland gibt es schätzungsweise 1.000 bis 2.000 HIV-Infizierte. Die drei Bremer Beratungsstellen betreuen etwa 120 von ihnen. Das Rat & Tat-Zentrum betreut zur Zeit 62 Menschen, die HIV-Positiv sind. Einige von ihnen werden von den ehrenamtlichen BetreuerInnen in einer regelrechten „Lebenshilfe“ begleitet. „Ich möchte weg von dem Begriff 'Sterbebegleitung', hin zur 'Lebenshilfe', denn mit der Hilfe der BetreuerInnen sollen die Aids-Infizierten auch zurück ins Leben kommen“, sagt Arno Oevermann von der AIDS-Hilfe im Rat & Tat-Zentrum. Die vier Mitarbeiter der AIDS-Hilfe hätten gerne eine professionelle Betreuung, doch dafür gibt es kein Geld. Die Idee der ehrenamtlichen Hilfe kommt aus der Schwulen-Bewegung in San Fransisco: Damals ging es darum, einem Erkrankten jemanden zur Seite zu stellen, der sich mit der Thematik auskannte und als „freundschaftlicher Begleiter“ meistens bis zum Tod Ansprechpartner blieb.

Im Rat & Tat-Zentrum wird einmal im jahr eine Schulung gemacht, in der 10-15 Interessierte auf die Aufgabe der Betreuung vorbereitet werden. Die Schulung umfaßt drei ganze Samstage und fünf bis sechs Montagabende. „Wir werben und suchen natürlich vorwiegend schwule Männer aus, aber es melden sich auch immer viele Frauen“, sagt Kaminski. Frauen seien ja in den sozialen Berufen sowieso in der Überzahl, meint er.

Manche der „Klienten“ - so nennt die Aids-Hilfe im Rat & Tat-Zentrum die Menschen, die eine Betreuung bekommen - brauchen nur einen Gesprächspartner und Besuch zwei mal die Woche. Andere brauchen eine tägliche Betreuung, die auch Haushaltshilfe (meist vom Sozialamt bezahlt) und Krankenpflege umfaßt. Zweimal im Monat findet eine Supervision der ehrenamtlichen Betreuer statt.

Arno Oevermann wünscht sich, daß die „Klienten“ sich möglichst früh um eine Betreuung bemühen. „Es ist wichtig, daß sich Betreuer und Klient kennenlernen, bevor der Klient erkrankt, damit er ein Gefühl für die Person bekommt, und weiß wie er reagiert.“ Kaminski: „Durch die bewußte Auseinandersetzung mit der Krankheit leben die Leute oft länger.“ vivA

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