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Bauchweh wg. Darabi

■ Mutmaßlicher "Mykonos"-Attentäter lebte zehn Jahre in Deutschland amtlich geduldet - und mit dickem Strafregister

Dem Auswärtigen Amt (AA) und der mangelhaften Prüfungspraxis der Ausländerbehörde hat es der vermeintliche Drahtzieher des „Mykonos“-Attentates, Kazem Darabi, zu verdanken, daß er ein Jahrzehnt in Deutschland leben konnte, ohne abgeschoben zu werden.

Eigentlich sollte der mutmaßliche Agent des iranischen Geheimdienstes abgeschoben werden, als er zu Beginn der achtziger Jahre wegen eines Überfalls auf regimekritische Iraner zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Doch die iranische Botschaft intervenierte damals beim Auswärtigen Amt zu seinen Gunsten – und zwar erfolgreich. Die aufenthaltsrechtliche Duldung, die er und einige andere regimetreue iranische Studenten erhielten, erwies sich jedoch schon bald als hinderlich.

Die iranische Botschaft bat das Auswärtige Amt am 11. Dezember 1986 um „wohlwollende Prüfung“, ob diese aufenthaltsrechtliche Duldung in eine normale Aufenthaltserlaubnis geändert werden könne. Der Botschafter versicherte dem Außenminister seine „ausgezeichnete Hochachtung“ und formulierte seine Hoffnung so: „Die Unterdrückten mögen den Sieg über ihre Unterdrücker erringen.“ Das Auswärtige Amt bat umgehend die Berliner Innenverwaltung, zu prüfen, „ob in den Fällen, in denen das Anliegen als berechtigt angesehen werden kann, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann“. Wie der zuständige Sachbearbeiter der Ausländerbehörde, Lücke, in der gestrigen Sitzung des „Mykonos“-Untersuchungsausschusses erklärte, habe er „Bauchschmerzen“ mit dem Fall Darabi gehabt, denn „die Vorgeschichte des Falls wich vom üblichen ab“. Die Akte Darabi war samt krimineller Vorgeschichte drei Bände dick.

Von Zweifeln geplagt, hielt sich der Beamte schließlich an eine Weisung des damaligen Innensenators Erich Pätzold. Diese sah vor, daß unter anderen Iraner „wegen der lebens- und freiheitsbedrohenden Verhältnisse“ in ihrem Heimatland nicht abgeschoben werden sollten. Eine Einzelfallprüfung hätte ergeben, daß Darabi diese Verhältnisse keinesfalls zu befürchten hatte. Doch die Ausländerbehörde sah von einer solchen genauen Inaugenscheinnahme ab. Am 19. Januar 1990 erhielt Darabi eine Aufenthaltserlaubnis. Dieter Rulff

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