: Computer-Apokalyptiker
Vor 25 Jahren trafen sich Manager und Wissenschaftler erstmals im Club of Rome ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Hart im Wind sind sie von Anfang an gesegelt, die Wirtschaftsbosse und Wissenschaftler des Club of Rome. Ob mit ihrer ersten Auftragsarbeit, in der sie „Die Grenzen des Wachstums“ analysieren ließen, ob mit ihren Arbeiten zur Bedeutung des Computers und der Mikroelektronik, zur Bildung, zum Energieverbrauch oder zu den geopolitischen Veränderungen am Ende des Kalten Krieges – Fiat-Manager Aurelio Peccei und die 30, später 100 HonoratiorInnen des Clubs wirbelten mit ihren Berichten das konventionelle Denken ihrer Manager- und WissenschaftlerkollegInnen heftig durcheinander.
Neues Denken oder die Katastrophe kommt, lautete dabei bis in die jüngste Zeit ihr Motto. Doch umgedacht haben die Adressaten dieser Botschaft wenig. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, galt für die Entscheidungsträger eben nur selten. Nach der ersten Verunsicherung siegte meist das Eigeninteresse. Oder wie der Club-Sympathisant und Ex-Premierminister Kanadas, Elliot Trudeau, einmal formulierte: „Wenn ich tun würde, was Sie sagen, würde ich ganz sicher nicht wiedergewählt.“
Viel Aufmerksamkeit fanden die Arbeiten des Clubs bei Millionen von LeserInnen. „Die Grenzen des Wachstums“ wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und verkaufte sich rund zehnmillionenmal – in diese Regionen von Massenpopularität dringen sonst nur Stephen King und Michael Jackson vor.
Es sage keiner, er habe es nicht gewußt
Geholfen hat indessen auch die MassenleserInnenschaft nur wenig. Die AutorInnen des ersten Club-of-Rome-Berichts, Donella und Denis Meadows, konnten 1992, immerhin reichlich 20 Jahre nach Veröffentlichung ihrer Arbeit, „keine signifikanten Veränderungen im Wachstumsprozeß“ feststellen. Nicht das Bruttosozialprodukt war und ist für das Wissenschaftlerehepaar das Problem, sondern der Ressourcenverbrauch. „Unser damaliges Modell des bedrohlichen physikalischen Wachstums ist nach wie vor zutreffend.“ Mit anderen Worten, wir steuern weiter auf die Katastrophe zu, nur wissen wir es heute besser.
Die Botschaft von der Genügsamkeit des guten Lebens, vom Verlust der Pfründe, wollten weder BürgerInnen noch EntscheidungsträgerInnen ernst nehmen. Die Rede von den Grenzen des Wachstums paßt mit den gängigen ökonomischen Motiven nicht zusammen. Was hundert Honoratioren darüber dachten wurde Tausenden Bürokraten, Politikern und Wirtschaftsbossen keine Leitlinie ihres Arbeitens. Auch wenn die Apokalypse nicht mehr prognostiziert, sondern – viel moderner – mit Computern berechnet wird, die Menschen nehmen sie als Wahrsage. Ernsthafte Reaktionen hätten die Logik ihres Arbeitens umgestürzt.
Hin und wieder trug der Club dieser Verweigerung Rechnung und schwächte die Argumente ab. Der zweite Bericht „Menschheit am Wendepunkt“ rückte 1974 beispielsweise nicht mehr die Grenzen des physischen Wachstums in den Mittelpunkt; vielmehr sollte planvolles und kontrolliertes Wachstum doch möglich sein. Während die Autoren damit den Menschen im Süden zumindest im Modell die Chance auf ein besseres Leben einräumen wollten, wurde daraus in der öffentlichen Wahrnehmung des Nordens ein Freibrief für ein wie auch immer ,kontrolliertes‘: Weiter so! Ähnliches passierte dem Club 1991 mit seinem bislang letzten Bericht „Die erste globale Revolution“. Das Werk firmierte schließlich vor allem in den Werbebroschüren der Atomindustrie. Der Grund: Die Clubmitglieder hatten angesichts der drohenden Klimakatasttrophe die Option auf Atomstrom erhalten wollen, „so abschrechend diese Energiequelle auch ist“.
Automobilkonzerne als Sponsoren
Fürchterlich beleidigt waren die überwiegend männlichen Honoratioren – nur zehn Frauen zählen zu dem erlauchten Kreis – über solcherlei Mißverständnisse nicht. Schließlich ist das westliche Industriesystem mit seinem Wachstumszwang auch der Brötchengeber vieler Clubmitglieder. Die meisten der 100 Mitglieder aus 53 Ländern arbeiteten und arbeiten in Ministerien und Firmen an der Fortschreibung des Wachstumstrends. Club-Gründer Aurelio Peccei etwa verdiente sein Geld bei Italiens Autokonzern Fiat. Und der sponsorte auch die ersten Club- Treffen in italienischen Renaissance-Villen. Den ersten Bericht, „Die Grenzen des Wachstums“, finanzierte die deutsche Volkswagenstiftung. Als jüngeres Clubmitglied aus der Autoindustrie ist beispielsweise der Ex-Automanager Daniel Goudevert (VW/Ford) bekannt. Zu dem knappen Dutzend deutschen Mitgliedern gehören außerdem Ernst-Ulrich von Weizsäcker und der Physiker Hans-Peter Dürr.
Die Entwicklung des Autos ist vielleicht auch das beste Symbol für die Probleme, die der Club analysiert. Autos sind immer effizienter, ihre Motoren gleichzeitig immer stärker geworden. Deshalb fressen sie genausoviel Sprit wie vor 25 Jahren. Oder wie Denis Meadows es im vergangenen Jahr formulierte: „Es ist, als wenn sie mit einem sehr schnellen Auto fahren und statt durch die Frontscheibe durch ein Mikroskop sehen. Und jedesmal, wenn ein Problem auftritt, treten sie aufs Gas.“
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