BGS geht mit rüden Methoden gegen Stricher vor

■ 15jähriger schwuler Stricher mußte sich vor BGS-Azubis nackt ausziehen / Wer gegen Hausverbote verstößt, muß damit rechnen, am Stadtrand ausgesetzt zu werden

Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS) versuchen, die Stricher vom Zoo mit Platzverweisen und Hausverboten aus dem Bahnhofsbereich zu verdrängen – und behindern damit die Arbeit der SozialarbeiterInnen des Bezirksamtes Charlottenburg, die sich um die Jugendlichen kümmern. Auf diesen Umstand wiesen gestern Streetworker anläßlich des Welt-Aids- Tages auf einer Pressekonferenz in der Bahnhofsvorhalle hin. „Durch die Razzien (die Ende September eine Woche lang mehrmals täglich am Bahnhof Zoo durchgeführt wurden; d. Red.) haben wir außerordentliche Probleme, unsere Leute wiederzufinden. Denen müssen wir dann hinterherstiefeln“, so Peter Wahlsdorf vom Charlottenburger Gesundheitsamt.

Jugendliche, die trotz Platzverweis oder Hausverbot im Bahnhof angetroffen werden, müssen außerdem damit rechnen, von der Polizei an den Stadtrand verfrachtet zu werden. Der BGS bestreitet, Jugendliche ausgesetzt zu haben. Bei einem Gespräch mit Sozialarbeitern am Freitag vergangener Woche habe man sich diese Maßnahme aber für die Zukunft vorbehalten, erklärte gestern der Schwulenbeauftragte der Berliner Polizei, Heinz Uth. Die 19jährige Alex ist Ende September von der Polizei in Marzahn ausgesetzt worden, nachdem sie und zwei Kolleginnen trotz vorherigen Platzverweises an der Kurfürstenstraße angetroffen wurden. „Die haben uns im tiefen Wald ausgesetzt. Wir sind über zwei Stunden gelaufen, bis wir zu einer Bushaltestelle kamen. Ich hatte keinen Pfennig Geld in der Tasche.“ Deshalb mußten sie bis zur nächsten U-Bahn-Station laufen, um in die Innenstadt zurückfahren zu können. Rüde behandelt wurde am Bahnhof Zoo auch ein 15jähriger schwuler Stricher. Sozialarbeiterin Birgit Maatsch, die den Jugendlichen schon seit einem Jahr betreut, schilderte, daß er Ende September von BGS-Beamten mit auf die Wache genommen wurde, weil er gegen das Hausverbot verstoßen hatte. Die Beamten wollten ihn auf Drogen überprüfen – „das Betäubungsmittelgesetz ist eine beliebte Handhabe, um gegen mißliebige Personen vorzugehen“. Maatsch:

„Der Junge ist Epileptiker. Dem haben sie sämtliche Tablettenschachteln auseinandergenommen.“ Der Jugendliche mußte sich nach ihren Schilderungen dann vor den beiden Beamten und drei BGS-Auszubildenden völlig entkleiden und sich anschließend einer entwürdigenden Kontrolle unterziehen. Die Beamten hätten ihm in den After geschaut und geprüft, ob er unter der Vorhaut oder unter dem Hodensack Drogen versteckt halte, so Maatsch.

In dem Gespräch mit den SozialarbeiterInnen habe der BGS eingeräumt, daß es nicht verhältnismäßig gewesen sei, den Jugendlichen als „Lehrobjekt“ vorzuführen, so Uth. Einziges Ergebnis der Unterredung sei bislang die Zusicherung des BGS-Leiters Funke, Streetworker demnächst an der Ausbildung der BGS-Beamten in Berlin und Brandenburg beteiligen zu wollen.

Das eigentliche Problem sieht Uth jedoch in den fehlenden Nachsorgeeinrichtungen für Stricher. Eine ständige Anlaufstelle und Notübernachtungsstelle für Stricher „Subway“ soll Anfang 1994 die Arbeit aufnehmen. Dorothee Winden