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Gewinnmaximierung Von Klaudia Brunst

Kürzlich waren wir auf dem Erntedankfest der hiesigen Einkaufspassage. Dort hatte es etliche Preisausschreiben gegeben, die meine Freundin alle in dreifacher Ausführung ausfüllte – eine Postkarte für sie, eine für mich, einen für den Hund. „Gewinnmaximierung“ nennt sie das. Und tatsächlich haben wir dreimal gewonnen. Investmentberatungen im Werte von je 120 DM. Eine ich, eine meine Freundin, eine der Hund.

Meine Freundin, die eigentlich mindestens mit einem Peugeot 205 gerechnet hatte, wollte die Glückwunschschreiben gleich in den Mülleimer werfen, aber mit dem Hinweis, daß es doch nicht schlecht sein kann, heute schon an morgen zu denken, konnte ich sie dann doch noch von unserem großen Glück überzeugen.

Wir buchten alle drei Termine hintereinander, erst ihren, dann meinen, dann den für den Hund. Gleich morgens kam Herr Kaiser von einer großen deutschen Versicherungs-AG. Freundlich dankte er für den angebotenen Kaffee, schaufelte sieben Löffel Zucker in die Tasse und schaute dann lange und traurig auf den Datev-Kontobogen meiner Freundin. „Schön wird das nicht für Sie im Alter“, bereitete er sie zartfühlend auf eine zu erwartende Rentenzahlung von monatlich 847,30 DM vor – „wenn alles glattläuft“. Wenigstens dreihundert Mark monatlich sollte sie in eine private Rentenzusatzversicherung einzahlen, erklärte Herr Hartmann, er habe da derzeit ganz günstige Konditionen zu bieten...

Meine Freundin sagte lange gar nichts mehr, dann wiederholte sie immer wieder leise „achthundertsiebenundvierzigdreißig“, und ich komplimentierte Herrn Hartmann erst mal vertröstend aus der Tür. Denn auf mich wartete im Nebenzimmer bereits Frau Schuber von „Schuber-Consult“. Auch sie freute sich über einen Kaffee, schwarz ohne Zucker, und schaute wichtig in den Personalbogen, den ich vor zwei Tagen sorgsam ausgefüllt zurückgefaxt hatte. „Sie haben also einen Bausparvertrag?“ diagnostizierte sie meine Vermögensverhältnisse. „Da kann ich nur sagen: sofort kündigen. Oder wollen Sie Ihr Geld zum Fenster rauswerfen?“ Das wollte ich natürlich nicht, aber den Bausparvertrag zahlen meine Eltern. Und außerdem finde ich, daß Eigentum nicht schändet und Immobilien wenigstens inflationsgeschützt sind.

Das war nun das Stichwort, auf das Frau Schuber hingearbeitet hatte: „Richtig!“ triumphierte sie. „Deshalb sage ich nur: bemietete Eigentumswohnungen in Stade. 1a Gewinnmaximierung. Finanzierung über eine Kapitallebensversicherung. Die monatliche Belastung holen Sie spielend über die Mieten wieder rein.“ Ob es da nicht eine Wiederaufbereitungsanlage gebe, wollte meine Freundin wissen, und was Frau Schuber übrigens von einer privaten Rentenzusatzversicherung halte. „Sofort kündigen“, schnarrte die Dame und war später sehr enttäuscht, daß wir uns nicht gleich für Stade entscheiden konnten.

Der dritte, ein gewisser Herr Tilmann, war dann reell. Nachdem er sich einmal in der Wohnung umgeschaut hatte, wollte er nicht mal mehr Kaffee. Der Termin sei nur verschenkte Zeit. Hier stünde doch gar kein Anlagevermögen zur Verfügung. Er gab uns seine Karte. Wir könnten ihn ja anrufen – falls wir mal in einem Preisausschreiben gewinnen sollten.

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