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Polizei schützt Neonazis

■ Schweden: Hunderte AntirassistInnen bei Gegendemonstrationen verhaftet

Stockholm (taz) – In der Nacht zu gestern hat die Polizei im südschwedischen Lund 400 DemonstrantInnen festgenommen, die gegen den wachsenden Rassismus im Lande demonstrieren wollten. Der 30. November ist Demonstrationstag, seit Schwedens Neonazis ihn vor Jahren für sich beanspruchten, weil an diesem Tag im Jahr 1718 der letzte schwedische Großmacht-König Karl XII. starb. Da es in Vorjahren regelrechte Straßenschlachten zwischen Rechten und Linken gegeben hatte, verbot die Polizei in Stockholm und Lund, jede Demonstration. Anfang der Woche hob das Justizministerium dieses Verbot wegen Verstoßes gegen die Verfassung wieder auf.

Trotzdem hatten sich in Stockholm nur bescheidene 500 DemonstrantInnen versammelt: Erfolg der Taktik der Polizei, die öffentlich davor gewarnt hatte, am Abend des 30. November auch nur die Häuser zu verlassen. Von 1.200 Polizisten „geschützt“ hielten die AntirassistInnen ihre Kundgebung ab. Die ausländerfeindlichen Gruppen blieben im Hintergrund.

Anders im südschwedischen Lund, wo sich knapp 1.000 DemonstantInnen versammelten, die teils aus Dänemark und Norwegen angereist waren. Die Polizei hatte die Innenstadt abgesperrt und zeigte sich entschlossen, ein Demonstrationsverbot auf dem Marktplatz durchzusetzen, obwohl sich dort keine ausländerfeindlichen Gruppen sehen ließen und keine Zusammenstöße drohten.

Als eine berittene und mit Hunden und Schutzschildern ausgerüstete Truppe von über 1.000 Polizisten die friedliche Demonstration aufzulösen versuchte, kam es zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf die Polizei 400 DemonstrantInnen verhaftete und erkennungsdienstlich behandelte. Teilweise wurden DemonstrantInnen aus Dänemark aus ihren abfahrbereit wartenden Omnibussen herausgezerrt und die Nacht über in Polizeigewahrsam gehalten. Augenzeugen schilderten den Polizeieinsatz als unnötig, provokativ und unangemessen hart. Am Abend versuchten Rechtsradikale, ins Zentrum von Lund zu marschieren. Nach Radioberichten verhaftete die Polizei mehrere von ihnen.

84 Festgenommene AntirassistInnen saßen gestern noch in Gewahrsam. Sie und einige Freigelassene müssen mit einer Anklage wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz rechnen. KritikerInnen werfen der Polizei vor, mit zweierlei Maß gegen rassistische und antirassistische Demonstrationen vorzugehen. Vor zwei Wochen hatte ein großes Polizeiaufgebot eine Großdemonstration von Neonazis in Göteborg geschützt. Die Rechtsradikalen durften demonstrieren, obwohl sie gegen das Strafgesetz und die Verfassung verstießen und auch zu Anschlägen auf AusländerInnen aufforderten. Reinhard Wolff

Kommentar Seite 10

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