: „Langsam wird es haarig“
Nach dem Magdeburger Debakel gerät die CDU in Bonn ins Schlingern / Mancher Unions-Politiker befürchtet für nächstes Jahr eine Zweidrittelmehrheit der SPD im Bundesrat ■ Aus Bonn Hans Monath
Bonn (taz) – „Mit der Entfernung vom Zentrum der Macht wächst die Unabhängigkeit.“ So hat erst der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ausgesprochen, was seit Anfang der Woche auch in Bonn viele CDU-Politiker befürchten, aber nicht offen sagen wollen. Eine „SPD-dominierte Bundesregierung“ erwarte er nach der Bundestagswahl im Herbst 1994, gestand Biedenkopf im Interview mit der Woche. Mit den Magdeburger Rücktritten hat die Union der zweite Schlag innerhalb einer Woche getroffen. Das Heitmann-Fiasko gilt als Versagen des Kanzlers. Für die Partei aber, so ein Nachwuchspolitiker der Union, „ist das mit Münch noch viel schlimmer“. Vielen CDU-Abgeordneten dämmere inzwischen: „Langsam wird es haarig.“
Das Desaster zum Auftakt des Superwahljahres 1994 kommt der Union denkbar ungelegen. Daß eine CDU-geführte Regierung in Magdeburg Neuwahlen verhindern kann, glauben in Bonn nur noch wenige. Jede Wahl wird in den kommenden Monaten als bundespolitisches Signal gewertet werden. Die in Sachsen-Anhalt wird – nach ersten Umfragen zu urteilen – der CDU katastrophale Ergebnisse bringen.
Längst haben die Planspiele begonnen, in denen die Kräfteverhältnisse von Bundestag und Bundesrat durchgerechnet werden. Öffentlich überlegt Biedenkopf, daß die SPD eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat gewinnt, wenn es der CDU nicht gelinge, „die Dinge zu wenden“: Zwei ostdeutsche Länder müßten die Sozialdemokraten erobern und bei der Niedersachsenwahl im März ihre Stellung behaupten. Neben einem Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt gilt auch einer in Mecklenburg- Vorpommern als wahrscheinlich. Gegen eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat aber kann nach der Bundestagswahl vom Herbst 1994 kein CDU-Kanzler regieren.
Kommentieren mögen das Unionspolitiker in Bonn nur hinter vorgehaltener Hand. Selbst die regierungsnahe FAZ berichtet von Untergangsstimmung und wundert sich, daß der Kanzler in der Krise nicht präsent ist: „Hermetisch abgeschirmt“ habe Kohl sein persönliches Umfeld und seinen inneren Mitarbeiterkreis.
Die SPD hätte angesichts solcher Aussichten allen Grund zur Freude. Ex-Parteichef Vogel aber fürchtet wie Partei-Vize Thierse, die Magdeburger Besoldungsaffäre könnte den Politikern insgesamt angehängt werden und in den neuen Ländern die Vorurteile gegen Wessis noch verstärken. Da intern auch viele CDU-Abgeordnete Münch Torpedierung der „inneren Einheit“ vorwerfen, gilt zumindest in dieser Frage schon eine „große Koalition“.
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