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Maschinenzauber und Chopin

■ Pianistenlegende Mauricio Pollini in der Musikhalle

Soloklavierabende haben so ihr eigenes Publikum. Rollkragenpullovertragende Damen und Herren halten sich mit hübsch drapierten Konzertroutiniers die Waage. Unter dem etwas schlicht gekleideten Publikum ist meist die vollständig angetretene Fangemeinde eines Klavierkünstlers zu finden, der schon zu Lebzeiten den Ruf einer Legende genießt; diesmal war es eine italienische, sehr lebendige. Mauricio Pollini, Pianist der Sonderklasse, fiel neben seiner noch von Rubinstein bewunderten Spielkultur auch als politisch aktiver Musikerzieher auf, der in den 60er Jahren mit seinem Kumpel Claudio Abbado durch italienische Fabriken zog, um für wissensdurstige Arbeiter Konzerte zu geben.

Pollini, ein herausragender Interpret zeitgenössischer Kompositionen, gab diesmal keine Kostprobe dieser Spezialitäten. Stattdessen standen frühe Sonaten von Beethoven, die Kreisleriana von Schumann und Werke von Chopin auf dem Programm. Die Beethoven-Sonaten gingen Pollini leicht von der Hand, wirkten gelegentlich aber etwas blaß akzentuiert. Manchmal, so schien es, diktierte die maschinelle Präzision den Fortgang der Interpretation. Im 2. Satz der 2. Sonate wich dieser Spuk einer unaffektierten, aber zutiefst beseelten Andante-Stimmung, die wie ein zeitlupenhaftes Idyll wirkte, das um einen schönen und erhabenen Gedanken kreist. In Schumanns Kreisleriana wollte die Routine immer noch nicht so recht weichen. Doch Stück für Stück bewies Pollini, warum er das pianistische Virtuosentum der billigen Art tunlichst meidet. Seine Deutung wirkte wie ein Zyklus feingliedriger Meditationen, die stellenweise allerdings in Mattigkeit versank.

Bei Chopin wendete sich das Blatt und zeigte einen Interpreten, der statt Salonmusik eine raffiniert phrasierte und dabei unkitschig gefühlvolle Ballade Nr. 1 spielte. Diese hatte wirklich etwas zu erzählen und zeigte, daß Pollini Chopin als einen der maßgeblichen Klavierkomponisten des 19. Jahrhunderts begreift. Sven Ahnert

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