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„Was ist in Italien eigentlich noch normal?“

■ Italiens Metropolen wählen, Faschisten hoffen, und der Lira wird schlecht

Rom (taz) – Normalerweise werden Wahlen von Politikern gewonnen oder verloren, oder von ihren Parteien. „Doch was ist in Italien derzeit eigentlich noch normal?“ barmt die Tageszeitung Repubblica. Wohl nichts: Da treten morgen bei den Bürgermeisterstichwahlen in Rom ein Grüner, Francesco Rutelli, und ein Neofaschist, Gianfranco Fini, gegeneinander an. In Neapel steht die Enkelin des Faschistengründers Mussolini, Alessandra, gegen den Gewerkschaftstheoretiker Antonio Bassolino, in Genua und Venedig kandidieren Linksdemokraten gegen Vertreter der sezessionistischen „Ligen“.

Doch die Schlagzeilen gehören nicht ihnen, sondern einem Abstraktum: „der Lira“. Die scheint zum echtem Lebewesen geworden zu sein. „Lira sensibel für politische Auseinandersetzungen“ (Il sole 24 ore), „Lira reagiert auf Haushaltsgesetz“ (il Giornale), „Lire erleidet angesichts trüber Perspektiven Schwächeanfall“ (Repubblica). Dabei handelt es sich nicht um landesweite Wahlen, sondern lediglich um Stichwahlen in knapp 200 Gemeinden.

Aber so wie derzeit die Lira auf jeden noch so leisen Polithuster steigt oder fällt, hat man das noch nie erlebt. Das Fürchten gelehrt hat die Wirtschaftswelt zunächst der Vormarsch der Rechtsextremen, die nach dem Totalzerfall der moderaten Mitte ansehnliche Teile des konservativen Wählerpotentials, aber auch einige Prozent ehemals strammer KP-Wähler an sich gezogen haben. Kaum hatten Kommentatoren und Regierungsmitglieder nach der ersten Lira-Flucht dem entsetzten Ausland die Gefahr von rechts heruntergeredet, tat sich ein neuer Abgrund auf: Nun kam die Gefahr angeblich von links. Die Aussicht, daß Italiens größte Städte – Mailand ausgenommen – einschließlich der Metropole Rom von Personen regiert werden, die der sogenannten „fortschrittlichen“ Seite zugeordnet werden, hat Entsetzensschreie provoziert. So massiv, daß sogar der eher betuliche Auslandspresseklub eiligst den eben mit der Drohung einer eigenen Parteigründung der „rechten Mitte“ in die Bütt gestiegenen Medienzaren Silvio Berlusconi zu einer langen Pressekonferenz einlud. In der durfte der unumschränkte Herrscher über Italiens Privatkanäle blumig die Gefahr einer verdeckten kommunistischen Machtergreifung ausmalen.

Dazu veröffentlichte eine drollige Gruppe aus Ex-Faschisten, Ex-Sozialisten und Ex-Christdemokraten einen Aufruf zur Gründung einer „Allianz der Mitte“, die sich – wem? – natürlich der „Machtergreifung der Linken“ entgegenstellen soll. Galionsfigur: Mario Segni, ein DC-Dissident, der zwar 1991 mit Referenden zur Wahlrechtsreform kräftig bei der Demolierung des alten Systems mitgeholfen hatte, seither aber auch nicht so recht weiß, wo er sein Ei hinlegen soll. Immerhin hat er nun doch ein Ziel angepeilt, wenn es im Frühjahr Neuwahlen fürs Parlament gibt: „Ich stehe bereit, Ministerpräsident zu werden.“ Denn: „Die wahre Mitte bin ich.“ Werner Raith

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